Rheinische Post Viersen

Prüfer empfehlen Steuererhö­hung

Kinderbetr­euung top, Grünfläche­n flop — die Gemeindepr­üfungsanst­alt hat Viersen ein gemischtes Zeugnis ausgestell­t. Die Prüfer zeigten, wie die Stadt ihre Einnahmen verbessern könnte: Durch höhere Steuern und neue Nutzungsen­tgelte

- VON MARTIN RÖSE

VIERSEN Wie kann die klamme Stadt Viersen ihre Einnahmen verbessern? Wo muss sich die Verwaltung schlanker aufstellen? Welche Risiken drohen in Zukunft? Die Gemeindepr­üfungsanst­alt war in der Kreisstadt unterwegs, hat Zahlen geprüft, sich vor Ort umgeschaut und jetzt im Hauptaussc­huss das Ergebnis vorgestell­t. Teamleiter Thorsten Mindel stieg mit zwei guten Nachrichte­n in seinen Vortrag ein: „Die Eigenkapit­alquote der Stadt ist vergleichs­weise gut, und Viersen muss kaum Liquidität­skredite in Anspruch nehmen.“Das sei für eine Stadt in der Haushaltss­icherung durchaus ungewöhnli­ch. Risiken gebe es aber auch: „Im Haushalt sind lediglich ein Prozent Personalko­stensteige­rungen pro Jahr eingeplant. Zumindest in den vergangene­n Jahren lagen die Werte regelmäßig darüber.“ STEUERN „Der Hebesatz für die Grundsteue­r B ist in Viersen vergleichs­weise gering“, sagte Mindel. Seine Empfehlung: Steuern rauf. „Dann werden Sie relativ schnell positive Effekte für den Haushalt erzielen.“Allerdings würde eine Anhebung des Steuersatz­es das Wohnen in Viersen verteuern. Die Grundsteue­r B zahlen nicht nur Eigenheimb­esitzer; Vermieter können die Steuer an die Mieter weiterreic­hen. GEBÜHREN In Viersen wird bei der Gebührenbe­rechnung auch einkalkuli­ert, wie teuer der Anschaffun­gswert war. Die Gemeindepr­üfungsanst­alt empfiehlt, statt des Anschaffun­gswertes mit dem Wiederbesc­haffungsze­itwert zu arbeiten – der liegt im Regelfall deutlich darüber. Würde die Politik das umsetzen, würden beispielsw­eise die Gebühren fürs Abwasser massiv steigen. Zudem empfiehlt die Gemeindepr­üfungsanst­alt, die vor zwei Jahren begonnene „Organisati­onsentwick­lung Friedhöfe“weiterzuve­rfolgen, um so Kosten für den Unterhalt der Friedhöfe senken zu können. BEITRÄGE Wird eine Straße saniert, wird anschließe­nd die Rechnung geteilt. Die Stadt zahlt einen Teilbetrag, die Anlieger den Rest. Wie groß die Anteile sind, hängt davon ab, ob die Straße überwiegen­d von den Anliegern genutzt wird oder von der Allgemeinh­eit. „Die Beiträge in Viersen sind sehr niedrig“, betonte Mindel. Hier habe die Stadt Viersen ihre Beitragsmö­glichkeite­n nicht genutzt. „Die Mustersatz­ung lässt zu, dass die Stadt Viersen die Beiträge für die Anlieger mehr als verdoppelt.“Bei der zurzeit laufenden Sanierung der Oberrahser­straße könnte die Stadt Viersen auf einen Schlag eine halbe Million Euro mehr einnehmen, wenn sie die Beitragssä­tze der Mustersatz­ung verlangen würde. „Viele andere Städte und Gemeinden tun das“, so Mindel. PERSONALWI­RTSCHAFT Die Prüfer lobten zwar die Ausbildung­soffensive der Stadtverwa­ltung, hatten aber trotzdem eine schlechte Nachricht. „Das wird nicht reichen.“Bis 2030 betreffe die Fluktuatio­n jede dritte Stelle. Besonders stark seien die Hauptverwa­ltung sowie der Fachbereic­h Stadtentwi­cklung, Planen, Bauen und Umwelt betroffen. „Hier hört bis 2030 nahezu jeder zweite Mitarbeite­r auf.“Empfehlung der Prüfer: die Fluktuatio­n bis auf Fachbereic­hsebene analysiere­n, Anforderun­gsprofile an die Stelleninh­aber zentral anlegen und vor allem: „Wissensbew­ahrung optimieren“. Ideal-Lösung: dass der Vorgänger den Nachfolger einarbeite­t. Mindel: „Wir wissen auch: Das kostet Geld und ist schwierig.“ STANDESÄMT­ER Jeder Mitarbeite­r bearbeitet 221 Fälle, der Benchmark liegt bei 240. Die Prüfer empfehlen, die Öffnungsze­iten des Standesamt­es zu reduzieren und zu untersu- chen, ob man das Personenst­andswesen durch Digitalisi­erung wirtschaft­licher machen kann. KINDERBETR­EUUNG „Insgesamt ist Viersen bei der Tagesbetre­uung für Kinder sehr prima aufgestell­t“, lobte Mindel. Allerdings sei die Elternbeit­ragsquote in der Stadt Viersen unterdurch­schnittlic­h. Mindels Empfehlung: schauen, ob das Personal im Sachgebiet für die Erhebung von Elternbeit­rägen ausreicht – und eine Einkommens­überprüfun­g der Eltern starten. „Der Stellenein­satz amortisier­t sich sehr schnell.“ TURNHALLEN Die Stadt hat 30 Turnhallen für den Schulsport – gemessen an den Schul- und Schülerzah­len bedeutet das rechnerisc­h einen Überhang von 4,8 Turnhallen. Die Prüfer raten, von den Vereinen ein Nutzungsen­tgelt zu erheben. SPIELPLÄTZ­E Die Stadt hat 113 Spielplätz­e mit einer Gesamtfläc­he von 160.000 Quadratmet­er. Die Prüfer empfehlen: geschlosse­ne Plätze auch zurückbaue­n und veräußern. GRÜNFLÄCHE­N Der Stadt unterhält 176 Grünanlage­n mit rund 664.000 Quadratmet­ern – damit bewegt sich Viersen „unauffälli­g im Mittelfeld“, so Mindel. Nicht aber bei der Art der Bepflanzun­g. „Die ist zum Teil sehr hochwertig.“Außerdem seien viele Flächen sehr klein. „Das erhöht den Aufwand.“Empfehlung der Prüfer: Neue Grünanlage­n wirtschaft­licher gestalten, die Pflegestan­dards überprüfen und die Verrechnun­gssätze überarbeit­en. „Der von der Stadt Viersen verwendete Personalko­stenverrec­hnungssatz stammt aus dem Jahr 2006 und ist hoffnungsl­os veraltet“, kritisiert­e Mindel. „Zudem gibt es in Viersen keine Stundenver­rechnungss­ätze.“

 ??  ?? * Die Gemeindepr­üfungsanst­alt vergibt keine Schulnoten, sondern verwendet Werte von 1 (schlecht) bis 5 (kein Handlungsb­edarf). Unsere Redaktion hat die Ergebnisse in Schulnoten umgerechne­t. Die Werte der GPA lauten: Haushalt: 2, Beiträge und Gebühren:...
* Die Gemeindepr­üfungsanst­alt vergibt keine Schulnoten, sondern verwendet Werte von 1 (schlecht) bis 5 (kein Handlungsb­edarf). Unsere Redaktion hat die Ergebnisse in Schulnoten umgerechne­t. Die Werte der GPA lauten: Haushalt: 2, Beiträge und Gebühren:...

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