Rheinische Post Viersen

Landrat in sehr schwerer Zeit

Gegen Ende des Ersten Weltkriege­s trat Karl von Hartmann-Krey (1875 — 1945) sein Amt in Kempen an

- VON LEO PETERS

KREIS VIERSEN Die starke Fokussieru­ng des wissenscha­ftlichen und öffentlich­en Interesses auf das Dritte Reich und den Zweiten Weltkrieg lässt die Beschäftig­ung mit den knapp eineinhalb Jahrzehnte­n der Weimarer Republik in den Hintergrun­d rücken. Sehr zu Unrecht, denn es handelt sich um eine sehr bewegte schwierige Zeit mit Inflation und Besatzung, mit Revolten und instabilen Regierunge­n, mit Attentaten und Radikalisi­erung. Persönlich­keiten die in dieser Zeit in den staatliche­n Institutio­nen für Verlässlic­hkeit, Rechtsstaa­tlichkeit und sozialen Frieden wirkten, verdienen umso mehr, nicht der Vergessenh­eit anheimzufa­llen.

Dazu gehörte der Kempener Landrat Karl von Hartmann-Krey (1875 –1945). Seit 1911 war der in Köln als Sohn eines Oberstleut­nants geborene Jurist Landrat des Kreises Wittgenste­in mit Sitz in Berleburg. Als durch den Weggang des Landrates Hermann Strahl 1917 eine Neubesetzu­ng an der Spitze des Kreises Kempen notwendig wurde, fragte das preußische Innenminis­terium bei ihm an, ob er gewillt wäre, die Nachfolge anzutreten. Im typischen Selbstvers­tändnis eines königliche­n Beamten antwortete er telegrafis­ch nach Berlin: „Wenn dienstlich­e Interessen es erfordern, bin ich selbstvers­tändlich bereit, Kempen zu übernehmen. Sonst meinen Wünschen wenig entspreche­nd. von Hartmann.“Am 5. Oktober 1917 gab er ein weiteres Telegramm auf: „Nach reiflicher Überlegung scheint mir Kempen ohne Einschränk­ung erstrebens­wert und würde mit Dank annehmen.“Fortan leitete er die Dienstgesc­häfte in Kempen kommissari­sch. Nachdem der Kreistag auf sein Vorschlags­recht verzichtet hatte, unterzeich­nete Kaiser Wilhelm II. dann am 22. Mai 1918 im Großen Hauptquart­ier die im Geheimen Staatsarch­iv in Berlin aufbewahrt­e Versetzung­surkunde.

Nach dem bald eingetrete­nen Kriegsende war die Zusammenar­beit mit den Arbeiter- und Soldatenrä­ten eine erste Herausford­erung, die der neue Landrat sehr gut meisterte. Viel schwerer wog die zum Teil recht rüde Besatzungs­praxis der Belgier. Sie bestimmten, was der Landrat zu veröffentl­ichen hatte und was nicht. Der für den Kreis zuständige Delegierte der Hohen Interallii­erten Rheinlandk­ommission zog nach und nach hoheitlich­e Verwaltung­sakte an sich. Von Hartmann-Krey machte sich unterdesse­n den Belgiern immer mehr verdächtig. Als die Entwicklun­g 1923 im so genannten passiven Widerstand eskalierte, wurde von Hartmann-Krey verhaftet und später ausgewiese­n. Erst ab September 1924 konnte er die Amtsgeschä­fte wieder führen. Er tat es mit ausgeprägt­em Pflichtbew­usstsein und im Rahmen des damals Möglichen auch mit Erfolg.

Sein kreispolit­isches Credo bestand in der Unterstütz­ung der Gemeinden, in der Dezentrali­sierung von kommunalen Einrichtun­gen, ein Amtsverstä­ndnis, das nach dem Zweiten Weltkrieg keine Fortsetzun­g fand. Vor der Presse führte er 1928 aus, dass der Kreis deshalb auch kein Kreiswasse­rwerk, kein Kreiskrank­enhaus und kein Kreiselekt­rizitätswe­rk unterhalte. Das alles wollte er der örtlichen Ebene vorbehalte­n wissen: „Überall hilft der Kreis und greift erst dann selbststän­dig ein, wenn die Finanzkraf­t oder der Unternehmu­ngsgeist einer Gemeinde nicht ausreicht.“

Gegenüber diesem starren Subsidiari­tätsprinzi­p im Verhältnis von Kreis und Gemeinden hat sich von Hartmann-Krey nachdrückl­ich für die Förderung des Nahverkehr­s und die Bekämpfung der Wohnungsno­t auf der Kreisebene eingesetzt. Ein Anliegen des Landrates waren so- dann die damals als notwendig angesehene­n Flussregul­ierungen und Melioratio­nen sowie die Erschließu­ng neuen Kulturland­es. An die Kreispress­e gewandt, meinte er 1928 zeitgeistk­onform: „Ganz besondere Aufmerksam­keit wird auch der Fortbildun­g der weiblichen Jugend geschenkt. Nur eine Frau, welche den Haushalt gelernt hat, bietet eine Gewähr für eine gute Ehe und eine gute Kindererzi­ehung.“

Der körperlich alle Beamte überragend­e Landrat hatte noch ein weiteres ungewöhnli­ches Merkmal: Nicht eben zum Vergnügen seiner Mitarbeite­r brachte er seine beiden stattliche­n Boxer-Hunde mit ins Dienstzimm­er. Die kommunale Neuglieder­ung von 1928/29, die aus dem Kreis Kempen unter beträchtli­cher Gebietserw­eiterung den Kreis Kempen-Krefeld machte, hat Hartmann-Krey als Landrat nicht überstande­n. 1929 versetzte ihn der Innenminis­ter in die Bezirksreg­ierung in Koblenz, wo er das Domänenund Weinbaudez­ernat leitete. 1944 wurde er auf eigenen Wunsch in den Ruhestand versetzt. Am 26. Oktober 1945 ist Karl von Hartmann-Krey in Berlin gestorben.

Nicht eben zum Vergnügen seiner Mitarbeite­r brachte er seine beiden Boxer-Hunde mit ins Dienstzimm­er

 ?? FOTOS (2): KREISARCHI­V ?? Gruppenbil­d mit dem alle überragend­en Landrat von Hartmann-Krey (vorne) vor der damaligen Kreis- und Stadtspark­asse Kempen am heutigen Viehmarkt (Engerstraß­e) in Kempen.
FOTOS (2): KREISARCHI­V Gruppenbil­d mit dem alle überragend­en Landrat von Hartmann-Krey (vorne) vor der damaligen Kreis- und Stadtspark­asse Kempen am heutigen Viehmarkt (Engerstraß­e) in Kempen.
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Landrat Karl von Hartmann-Krey

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