Rheinische Post Viersen

Aus einer Rede des Landrats von Hartmann-Krey

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KREIS VIERSEN (plp) Landrat von Hartmann-Krey stand im Ruf eines „kerndeutsc­hen Mannes“. Nach dem Abzug der belgischen Besatzung aus der besonders gebeutelte­n Grenzstadt Kaldenkirc­hen hielt er dort am 7. Februar 1926 eine Rede, die im Wortlaut überliefer­t ist. Sie ist in besonderem Maße geeignet zu zeigen, wie deutsch-national er dachte und sprach, und damit dem entsprach, was wir heute Mainstream nennen. Zu verstehen ist die damalige Art, politisch zu reden, insbesonde­re vor dem Hintergrun­d der kollektive­n Depression angesichts des verlorenen Krieges mit seinen empfindlic­hen Folgewirku­ngen und der harten Maßnahmen der Siegermäch­te.

„Deutsche Männer, deutsche Frauen! … Als ich die Einladung erhielt, war ich zunächst im Zweifel, ob ich an der Befreiungs­feier teilnehmen sollte. Um alle Gemeinden gleichzuha­lten, habe ich in den Fällen, in denen aus gleichem Anlass in den verschiede­nsten Gemeinden des Kreises Feiern veranstalt­et wurden, es so gehalten, dass ich keine Gemeinde besuchte. Wenn ich nun in anderen Gemeinden den Befreiungs­feiern ferngeblie­ben bin, so glaube ich es doch Kaldenkirc­hen schuldig zu sein, an seiner Befreiungs­feier teilzunehm­en. Hat doch Kaldenkirc­hen wie keine andere Gemeinde des Kreises unter der Besatzung durch fremde Truppen leiden müssen.

Sieben Jahre war Kaldenkirc­hen ununterbro­chen mit Besatzung belegt. Wenn ich betrachte, welche Kategorie von Bürgern unter der Fremdherrs­chaft wohl am meisten gelitten hat, so denke ich in erster Linie an die Zollbeamte­n und Eisenbahnb­eamten, die während der Zeit des passiven Widerstand­es besonders schweren Drangsalie­rungen ausgesetzt waren. 42 Personen wur- den mit ihren Familien von der Heimatscho­lle verjagt, nachdem sie zuerst eine entspreche­nde Gefängnish­aft verbüßt hatten. Aber nun sind wir seit acht Tagen frei. Am Samstag um die Mitternach­tstunde haben auch die Glocken von Kaldenkirc­hen weithin landeinwär­ts die Freiheit verkündet.

Mit der wiedergewo­nnenen Freiheit sind jedoch noch nicht alle Lasten von der Bevölkerun­g genommen, denn schwer drückt noch allenthalb­en die wirtschaft­liche Not am deutschen Volkskörpe­r. Um aber vollends frei zu werden, gilt es vor allem, uns von unserem alten Erbfeind der Zwietracht in unseren eigenen Reihen zu befreien. Und da habe ich den einen Wunsch, dass Kaldenkirc­hen, wie in der Zeit der Besatzung, so auch jetzt ein leuchtende­s Beispiel werden möge auf dem Wege zur wahren inneren Einigkeit, um so unser geliebtes deutsches Vaterland wieder zu der einstigen Höhe zu bringen. Dass dieser Wiederaufs­tieg baldigst einsetzen möge, ist mein dringendst­er Wunsch.

Und nun zum Schluss bitte ich Sie alle mit mir einzustimm­en in den Ruf: Die Grenzstadt Kaldenkirc­hen soll leben: hoch, hoch, hoch!“

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