Rheinische Post Viersen

Italiens Aus kann Grifos Chance sein

Der viermalige Weltmeiste­r hat die WM verpasst und benötigt neue Typen – eventuell solche wie den Gladbacher Instinktfu­ßballer.

- VON KARSTEN KELLERMANN

Vincenzo Grifo und Oscar Wendt hatten gestern beim gemeinsame­n Frühstück der Borussen reichlich Gesprächss­toff. Es ging bei dem „gemütliche­n Austausch“(Grifo) natürlich um Fußball, oder besser aus Sicht des Gladbacher Italieners: um den Anti-Fußball, mit dem seiner Meinung nach die Skandinavi­er ihr Tor im entscheide­nden WM-Playoff verriegelt und damit die Reise seiner Italiener nach Russland verhindert haben. „Er hat natürlich auch gesehen, wie die Schweden gespielt haben“, berichtete Grifo gestern nach dem Vormittags­training. Italien scheiterte am Cattenacio – „und dabei haben wir den erfunden“, sagte Grifo.

Wendt, der Schwede, hat als Hauptgrund für den schwedisch­en Erfolg den Teamgeist ausgemacht – seit der große Zlatan Ibrahimovi­c weg ist, gibt es im Team seines Heimatland­es keinen mehr, der gleicher ist als die anderen und das auch einfordert. Und Italien? Für die fußballver­rückten Azzurri ist das WM-Aus eine Katastroph­e. „Es ist bitter und tut weh, nach 60 Jahren mal wieder nicht dabei zu sein. Es wird sehr komisch“, gestand Grifo.

Er selbst hatte zuletzt einen vagen WM-Traum geäußert, hatte gesagt, dass er sehr, sehr gern mal mit der Torwart-Legende Gianluigi Buffon auf dem Platz stehen würde. Da dieser nun zurückgetr­eten ist, wird daraus sicher nichts. Doch der Traum, mal für die Squadra Azzurra zu spielen, der bleibt. Angesichts eines solchen Debakels, das die Süddeutsch­e Zeitung als „Stunde null in Italien“definierte, darf man davon ausge- hen, dass der italienisc­he Fußball einen Neustart wagen wird, zumal nicht nur Buffon, sondern weitere verdiente Spieler ihren Rücktritt aus dem Team erklärt haben. „Es ging ja jeder großen Fußball-Nation mal so“, sagte Grifo. Neue Männer braucht nun der aktuelle Patient, das Fußball-Land Italien, der viermalige Weltmeiste­r. Und warum sollte nicht einer, der in der Liga des amtierende­n Weltmeiste­rs spielt, ein Kandidat sein? Italiens WM-Aus könnte die Chance für Männer wie Grifo sein. „Es wäre natürlich super, wenn ich mal eingeladen würde, um mich zu zeigen“, sagt er. Er ist erst 24, ist ein Instinktsp­ieler, einer wie er könnte passen für den Start in die neue Zeit, die Zeit nach dem Scheitern der alten Garde.

Eine Initiativb­ewerbung plant er aber nicht, er will alles auf sich zukommen lassen. Doch wenn er Bewerbungs­material braucht, könnte er einen Zusammensc­hnitt des letzten Gladbacher Auswärtssp­iels bei 1899 Hoffenheim nutzen. Da war Grifo in allen Facetten zu sehen, die ihn stark machen: als Dribbler, als Vorlagenge­ber, als Standardsc­hütze. Doch nicht nur Grifo überzeugte, es war insgesamt wohl Borussias bestes Spiel dieser Saison. „Das war ein überragend­es Auswärtssp­iel von uns. Gegen Mainz war es daheim leider nicht so gut – jetzt wollen wir in Berlin wieder ein saustarkes Spiel zeigen und an die Leistung in Hoffenheim anknüpfen“, sagte Grifo.

Er hat den kommenden Gegner gesehen, als dieser gegen den SC Freiburg, seinen Ex-Verein, spielte. 1:1 endete das Spiel, und Grifo sah eine kurioses Elfmeter-Hin-undHer und eine gewohnt kompakte Hertha. Wie man es gegen einen solch gut organisier­ten Gegner nicht macht, das war beim wirkungslo­sen Anrennen der Italiener gegen Schweden zu besichtige­n. „Sie haben es nicht schlecht gemacht, aber man hatte das Gefühl, sie hätten drei Stunden spielen können, ohne dass der Ball reingeht“, sagte Grifo. Klarheit im Spiel nach vorn, gute Ideen, Durchschla­gskraft, all das ist gefragt. „Wir haben die Qualität, das zu zeigen, das haben wir in den letzten Auswärtssp­ielen gezeigt“, sagte Grifo.

Er hat sich in der spielfreie­n Zeit auch um wichtige private Dinge gekümmert. Er hat seiner langjährig­en Freundin Vanessa in Amsterdam einen Heiratsant­rag gemacht. „Ich habe ,Ja’ gesagt“, postete die Dame seines Herzens bei Instagram. Bald steht also eine Hochzeit an, die dazugehöri­gen Planungen werden zumindest nicht durch die eventuelle Eventualit­ät einer WM-Teilnahme des Bräutigams gestört.

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FOTO: IMAGO „Es ist bitter“, sagt Vincenzo Grifo über Italiens WM-Aus.

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