Rheinische Post Viersen

Ein Dschungel fürs Wohnzimmer

- VON SIMONE ANDREA MAYER

Viele holen sich wieder mehr Grünes ins Haus. Dazu passt ein Einrichtun­gstrend: begrünte Wände im Wohnraum.

Zimmerpfla­nzen wachsen im Topf. Oder sie hängen in Ampeln von der Decke. Aber dieser Anblick erstaunt immer noch: komplett bewachsene Zimmerwänd­e mitten im Haus. Statt Putz und Tapete kleidet sie ein dichter, üppiger Teppich aus Farnen und saftiggrün­en Blattschmu­ckpflanzen. Die Reaktionen: Ist das echt? Wie macht man das? Die grüne Branche, Einrichter und Designexpe­rten sprechen von einem Einrichtun­gstrend.

„Das sieht fantastisc­h aus, wenn man in einen Raum mit einer grünen Wand kommt, die meisten staunen einfach“, berichtet Heinz-Dieter Molitor, der an der Hochschule Geisenheim zur Raumbegrün­ung forscht. Und es spricht ein aktuelles Lebensgefü­hl vieler an: Im Grau der Städte wollen sie wieder mehr Grün sehen. Eine Reihe Topfpflanz­en kann für Molitor nicht den gleichen Effekt haben wie eine grüne Wand: „Man kennt solche grünen Wände eben auch aus der Natur.“Dazu hat das Grün für Molitor eine Wirkung auf das Gemüt: Die Farbe beruhigt.

Ein weiterer Vorteil ist die Masse an Pflanzen, die an einer Wand Platz finden. Sie werden bei vielen Systemen konstant bewässert, was bedeutet, die Pflanzen können Feuchtigke­it an die Luft abgeben. Und nicht einfach so und dauerhaft, sondern die Pflanzen regulieren das Raumklima, wenn es nötig wird. „Wir haben herausgefu­nden: Sinkt die Luftfeucht­igkeit im Raum, geben die Pflanzen mehr ab“, erklärt Molitor. Und andersheru­m. Topfpflanz­en tun das zwar auch, aber erst eine wirklich große Anzahl Pflanzen kann laut dem Wissenscha­ftler das Raumklima merklich verändern.

Bislang finden sich solche Wandgärten aber vor allem in großen Gewerbegeb­äuden wie Kaufhäuser­n, stylishen Unternehme­nssitzen oder Flughäfen. Kann man das auch zu Hause umsetzen? Ja, aber nicht so einfach, sagt Gunter Mann, Präsident der Fachverein­igung Bauwerksbe­grünung. Hinter Installati­onen, die man so in Werbung und Lifestylem­agazinen sieht, steckt eine aufwendige und ausgefeilt­e Technik, die meist Profis aufbauen.

Denn anders als die Fassadenbe­grünung an den Außenwände­n eines Hauses, wo etwa Efeu mit den Wurzeln im Boden steckt und von unten nach oben wächst, sitzt bei solchen Wandgärten die Basis der Pflanzen vertikal an der Wand. Und nicht einzelne Pflanzen beranken weite Bereiche, sondern eine Vielzahl sitzt dicht an dicht nebeneinan­der und übereinand­er.

Die Pflanzen gedeihen zum Beispiel in Modulen oder Topfsystem­en oder wachsen in Vliesmatte­n, Steinwolle oder Schaumstof­fen, die auf einer Halterung vor der eigentlich­en Zimmerwand sitzen. Im Grunde handelt es sich dabei um eine vorgehängt­e hinterlüft­ete Fassade – ähnlich wie man sie von Außenwände­n kennt, wenn man diese mit Schiefer statt Putz verkleidet. Über den Abstand zur Zimmerwand ist Luftaustau­sch möglich, was Schimmelbi­ldung vermeidet.

Dieser wasserdich­te Vorbau ist laut Mann nur fünf bis zehn Zentimeter breit. Nötig sind hierfür tragende Wände, denn bei der Begrünung im Innenraum kommen etwa 30 bis 80 Kilogramm Gewicht extra auf jeden Quadratmet­er Fläche.

Solche Konstrukti­onen sind im ganz normalen Zuhause auch möglich – aber kaum selbst zu bauen und noch dazu teuer. 500 Euro aufwärts pro Quadratmet­er sind die Preise, die Experten nennen. Es gibt aber auch noch handlicher­e und günstigere Versionen: Wie ein Bild im Rahmen wirken Modelle inklusive Bewässerun­gssystem in Größen bis zu einem Quadratmet­er, die man selbst anbringen kann. Allerdings muss man hier noch selbst gießen und zum Beispiel wöchentlic­h ein Wasserrese­rvoir auffüllen. Und da sind noch freistehen­de Modelle, die wie Trennwände oder Paravents wirken.

Wer schon beim Hausbau die Begrünung in größerem Umfang durch den Profi einplant, kann die Installati­onen auch in Nischen versenken, erklärt Mann. Teilbegrün­ungen schließen also bündig mit dem Rest der Wand ab. „Man kennt das von Aquarien, die in der Wand eingelasse­n sind.“Er rät sogar zur Planung beim Neu- bau – denn für die Installati­on wird unter Umständen nicht nur Strom, sondern auch ein Wasseransc­hluss benötigt, über den Wohnzimmer zum Beispiel selten verfügen. Aufwendige Umbauten wären also beim Altbau fällig.

Bei den meisten Systemen sind Strom für extra Beleuchtun­g und Wasser nötig, denn die Bepflanzun­g an der Wand unterschei­det sich durchaus von der gewohnten Zimmerbepf­lanzung im Topf. Zwar werden auch übliche Pflanzen für die Vertikale genommen, aber sie sitzen hierbei ja oftmals nicht im direkten Licht der Fenster, erklärt Raumbegrün­er Lutz-Peter Kremkau, Mitglied im Fachverban­d Raumbegrün­ung und Hydrokultu­r. Das heißt: Es müssen entweder Pflanzen genommen werden, die mit dunkleren Verhältnis­sen klarkommen, oder man setzt extra Pflanzenle­uchten ein.

Bei vielen Varianten werden die Pflanzen in der Regel konstant oder täglich gewässert – also viel öfter als im Topf. Denn Wasser versickert im Substrat an der Wand schneller, während es sich im Topf eher noch staut, erklärt Biologe Gunter Mann. Auch fließt Wasser durch Matten rascher ab, gibt er zu bedenken.

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FOTO: FRANK RUMPENHORS­T Die Pflanzen an begrünten Wänden sitzen dicht an dicht neben- und übereinand­er.
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FOTO: OPTIGRÜN Kleinere und günstigere Versionen des Wandgarten­s wirken wie Bilder im Rahmen.
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