Borussias Teamgefüge ist noch in Arbeit
Noch gibt es keine finale Hierarchie, wenn auch Akteure wie Kapitän Lars Stindl zu Führungsspielern wurden.
Es ist eine ewige Diskussion im Fußball. Und „dafür gibt es kein Handbuch“, stellt Borussias Sportdirektor Max Eberl fest. Nur weil jemand große Worte macht, ist er kein Anführer. Auch viel Erfahrung ist kein grundsätzliches Merkmal für Führungsspieler. Jugend hingegen ist nichts, was dagegen spricht, Verantwortung zu übernehmen. Es spielen viele Faktoren eine Rolle, die Soziologie einer Fußballmannschaft ist daher eine höchst verzwickte Angelegenheit. „Du hast 25 Spieler, 25 Charaktere, 25 Menschen, und die müssen zusammengebracht werden“, sagt Eberl. Er hat mit Trainer Dieter Hecking ein Team zusammengestellt, „von dem wir glauben, dass es gut passt“, sagt Eberl.
Doch ist das soziale Gefüge Borussias ein Prozess, der ständig im Wandel ist. „In jeder Saison gibt es Veränderungen, deswegen muss sich ein Team immer wieder neu finden“, sagt Eberl. Das indes mag er nicht in Verbindung bringen mit dem sportlichen Wankelmut der Mannschaft, die quasi zwei Gesichter hat. Struktur ist allerdings ein Stabilitätsfaktor, und noch ist die Struktur des Teams offenbar instabil unter Stress, noch hat sich keine Hierarchie final herausgebildet. Spieler wie Matthias Ginter, Jannik Vestergaard oder Thorgan Hazard sind dabei, sich als neue Führungsfiguren aufzustellen. „Doch das geht nicht von heute auf morgen“, sagt Christofer Heimeroth.
Er ist derzeit ein Mischwesen aus Torwart und Teammanager, ab dem 1. Januar wird er komplett die Seite wechseln. Dann wird er in der Kabi- ne fehlen, damit fällt der nächste derer weg, die in den vergangenen Jahren eine soziale Hauptrolle in Gladbach spielten. „Du kannst auch Verantwortung übernehmen, wenn du nicht immer spielst. Heimi ist ein Typ“, sagt Eberl. Das waren auch Martin Stranzl, Roel Brouwers, Thorben Marx oder Filip Daems. Doch auch die wurden nicht als Führungsspieler geboren, sie haben sich zu solchen entwickelt.
Christoph Kramer ist für Heime– roth in den Mannschaftsrat nachgerückt, zu dem gehören auch Kapitän Lars Stindl, die Vize-Kapitäne Tony Jantschke und Oscar Wendt, sowie Fabian Johnson und Yann Sommer. 28,5 Jahre ist das Gremium im Schnitt alt, also eher erfahren als jugendlich. Spieler wie Jantschke oder Herrmann sind derweil längst „nicht mehr die, die aus der Jugend hochgekommen sind, sondern gestandene Bundesligaspieler“, wie Herrmann sagt. Beide sind lange im Klub, auch daraus ergibt sich ein Verantwortungsbewusstsein. Allerdings, sagt Heimeroth, ist es an den jüngeren Spielern, gerade „an denen, die Stammspieler sind, mehr und mehr Verantwortung zu übernehmen“. Er sieht Borussias Team soziostrukturell auf „einem guten Weg“, aber es ist noch in Arbeit.
Stindl ist schon von Amtswegen der Borussen-Boss. Auch er hat gebraucht, um in die Rolle reinzuwachsen, erst in seiner zweiten Saison wurde er ein echter Chef. Derweil im Nationalteam macht er aber vor, dass auch Neulinge Verantwortung übernehmen können. Er hat im Sommer erst sein Debüt beim DFB gefeiert, machte dann das Siegtor beim Confed-Cup und nun das Training Die Schweizer Nationalspieler Yann Sommer, Nico Elvedi und Denis Zakaria waren gestern wieder im Training. Heute folgen die deutschen Lars Stindl und Matthias Ginter sowie Thorgan Hazard (Belgien) und Jannik Vestergaard (Dänemark), zudem die Nachwuchsleute Reece Oxford (England), Moritz Nicolas (Deutschland) und Michael Cuisance (Frankreich). Mehr zu Borussia finden Sie im Internet unter www.rp-online.de/fohlenfutter 2:2 gegen Frankreich. Stindl hat sich positioniert als Mann für entscheidende Momente – das dürfte ihm das Ticket für die WM einbringen. Stindl ist 29, ein alter Hase, der ein Neuling ist, eben diese Mixtur war es wohl, die ihn interessant macht für Löw – wohl auch für die WM. Stindl hat jedenfalls einige Eigenwerbung betrieben in den knapp zehn Minuten, die er spielte.
Über seine Chef-Rolle in Gladbach will er sich endgültig für die Russland-Reise qualifizieren. Kurzfristig will er Borussia am Samstag in Berlin zum Erfolg führen. „Aber es gibt nicht mehr den einen Anführer wie vielleicht in früheren Jahren. Jeder muss Verantwortung übernehmen“, sagt Herrmann. Teamarbeit ist entscheidend, die einzelnen Teile müssen passen. Nur wenn die Balance stimmt, funktioniert ein soziales System. Das ist im Fußball wie im Leben.