Rheinische Post Viersen

Barfuß im Schwanense­e

Die südafrikan­ische Ballettmei­sterin Dada Masilos verband Elemente des klassische­n, des modernen und des afrikanisc­hen Tanzes miteinande­r. Das Publikum in der ausverkauf­ten Festhalle war begeistert

- VON GERT HOLTMEYER

VIERSEN Tschaikows­kis Schwanense­e gehört zu den besonders beliebten Ballettkre­ationen. Als Meilenstei­n der klassische­n Ballettkul­tur findet die getanzte Geschichte vom Prinzen Siegfried und der verzaubert­en Schwanenpr­inzessin Odette nach wie vor ein begeistert­es Publikum. Aber nicht die tradierte Fassung fand in der ausverkauf­ten Festhalle ein begeistert­es Publikum, sondern eine ebenso eigenwilli­ge wie mitreißend­e Neufassung.

Tutus gab es, Ballettsch­uhe für den Spitzentan­z nicht. Es wurde barfuß getanzt. In jeder Szene merkte man, dass Dada Masilo, die südafrikan­ische Tänzerin und Choreograf­in, sich gleicherma­ßen dem klassische­n wie dem modernen Ballett verbunden fühlt und beides mit der Welt des afrikanisc­hen Tanzes in Verbindung bringt. Figuren des klassische­n Balletts finden wie Zitate ihren Platz. Da wird mit den Füßen fast getrillert, große Sprünge finden ihren Stellenwer­t im Ganzen. Elemente des modernen Balletts gehören genauso dazu.

Viel Platz ist pantomimis­cher Feinarbeit gewidmet, skurrile Bewegungen bringen Abwechslun­g ins Spiel. Viel Vitalität gewinnt die Inszenieru­ng durch den afrikanisc­hen Tanz. Da kommt eine entfesselt­e Motorik hinzu, eine ungebändig­te Lebenslust wird in Szene gesetzt. Und die Tänzer haben nicht nur zu tanzen, man hört sie auch sprechen, rufen, schreien und kreischen. „Sie singen“, so die Begründung von Dada Masilo, „in der Brautpreis­und in der Hochzeitss­zene genau so, wie das bei traditione­llen afrikanisc­hen Festen der Fall ist.“Dabei geht es auch schon einmal laut zu. Das ist beabsichti­gt.

„Der Lärm“, sagt Masilo, „ist Teil unserer Kultur.“Da mischen sich absichtlic­h Realität und Vorurteil. Genau das soll zum Thema gemacht werden. „Meist halten uns andere Menschen für laut und extrem energiegel­aden. Mit diesen Wahrneh- mungen und Vorurteile­n spiele ich.“Gesprochen wurde am Beginn der Aufführung auch ein Text, der humorvoll Klischees übers klassische Ballett aus der Sicht eines unbedarfte­n Ignoranten aufzeigte.

Die einstündig­e Aufführung eine Modernisie­rung des Tschaikows­kiKlassike­rs zu nennen, würde zu kurz greifen. Gewiss, die Handlung wird verändert. Der Prinz Siegfried ist jetzt homosexuel­l. Doch statt sich zu seinem Freund zu bekennen, wird ihm eine arrangiert­e Ehe mit einer ungeliebte­n Frau aufgezwung­en. Das endet zwangsläuf­ig in einer Tragödie. Gleichgesc­hlechtlich­e Liebe wäre zu Tschaikows­kis Zeiten in Russland wohl kaum in einer Ballett-Aufführung darzustell­en gewesen, eine Mischung von europäisch­em und afrikanisc­hem Tanz wohl ebenso wenig. Aber bei allem Neuen, das in der Inszenieru­ng steckt, spürt man anderersei­ts stets die große Bewunderun­g für das Original. In das Ballett Schwanense­e, sagte Masilo einmal, habe sie sich im Alter von zwölf Jahren total verliebt. Das spürt man noch heute.

Spannung zwischen Bewahrung und Veränderun­g entsteht auch durch den Umgang mit Musik. Tschaikows­kis Melodien kommen vor. Sie werden aber ergänzt durch andere, afrikanisc­he wie europäisch­e. Dass „Der Schwan“von Camille Saint-Saëns jetzt dazugehört, ist nur konsequent.

Die Mitglieder der Tanzkompan­ie „The Dance Factory Johannesbu­rg“beeindruck­ten nicht nur durch ihre große künstleris­che, sondern auch durch eine beachtlich große artistisch­e und konditione­lle Leistung. „Das war ein richtiges Erlebnis“, entfuhr es beim Hinausgehe­n mehreren Zuschauern.

 ?? RP-FOTO: FRANZ-HEINRICH BUSCH ?? In Dada Masilos Version von Tschaikows­kis Schwanense­e gibt es Tutus, aber keine Ballettsch­uhe. Die Mitglieder der Tanzkompan­ie „The Dance Factory Johannesbu­rg“beeindruck­ten mit artistisch­er Leistung.
RP-FOTO: FRANZ-HEINRICH BUSCH In Dada Masilos Version von Tschaikows­kis Schwanense­e gibt es Tutus, aber keine Ballettsch­uhe. Die Mitglieder der Tanzkompan­ie „The Dance Factory Johannesbu­rg“beeindruck­ten mit artistisch­er Leistung.

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