Große Koalition des Feilschens
Ob es zu einer schwarz-roten Fortsetzung im Bund kommt, ist offen. Die Parteien erhöhen dennoch den Druck aufeinander.
BERLIN Das Treffen der Parteichefs von CDU, CSU und SPD beim Bundespräsidenten ist erst Donnerstag. Doch schon jetzt bringen sich Angela Merkel, Horst Seehofer und Martin Schulz für mögliche Gespräche über eine Fortsetzung der großen Koalition in Stellung. Während die Unionsseite offen für eine große Koalition wirbt, bewegt sich die SPD nur in Trippelschritten auf die Konservativen zu. Vorgaben machen jedoch beide.
So sagte Merkel am Samstag beim CDU-Landesparteitag in Mecklenburg-Vorpommern, „Leitschnur“bei der anstehenden Regierungsbildung seien ein ausgeglichener Haushalt und Änderungen beim Soli. Darüber hinaus erwähnte sie Entlastungen für kleinere und mittlere Einkommen sowie ein höheres Kindergeld und höhere Kinderzuschläge. „Man muss in Respekt aufeinander zugehen und dann ver- nünftige Lösungen für die Menschen und die Zukunft Deutschlands finden“, sagte die geschäftsführende Kanzlerin. Zugleich warb sie indirekt für eine große Koalition: Diese habe in den vergangenen Jahren gute Arbeit geleistet, betonte Merkel und beklagte, dass die SPD kein „gutes Wort“dafür finde. Eine Neuwahl lehnte Merkel ab.
Noch deutlicher wurde CSU-Chef Horst Seehofer. Ein Bündnis aus Union und SPD bezeichnete er am Wochenende als „die beste Variante für Deutschland“. Zugleich überraschte Seehofer in der „Bild am Sonntag“wohl nicht ohne Hintergedanken mit der Aussage, Merkel habe ihm bei den Jamaika-Gesprächen einen Ministerposten angeboten. „Ich bin von der Union und ihrer Vorsitzenden bei den JamaikaSondierungen gefragt worden, ob ich für den Fall der Fälle ein Ministeramt übernehmen würde“, sagte Seehofer, dessen Zukunft als Parteivorsitzender und Ministerpräsident Bayerns wegen Machtkämpfen in der CSU fraglich ist. Er warnte zugleich die SPD davor, zu viele Bedingungen zu stellen. Er könne der SPD nur raten, realistisch zu bleiben. „Eine große Koalition um jeden Preis darf es nicht geben“, sagte er.
So steht es auch in einem Beschluss der Jungen Union vom Wochenende. Die konservative Nachwuchsorganisation setzte zudem ein fast illusorisches Ultimatum. In dem Papier heißt es: „Sollte es bis zum 23. Dezember keine Einigung über einen Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD geben, sind die Verhandlungen als gescheitert anzusehen.“Käme es bis Weihnachten nicht dazu, „müssen CDU und CSU so schnell wie möglich eine Minderheitsregierung anstreben“, fordert die Junge Union. Eine Rhetorik, die in den eigenen Reihen nicht für Begeisterung sorgen dürfte. Schließlich hat die Kanzlerin großes Interesse daran, die Preise der SPD nicht in die Höhe zu treiben.
Dass Ultimaten der Union dabei nicht helfen, machten sogleich die Sozialdemokraten klar. „Es gibt keinen Automatismus für eine große Koalition“, sagte SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel unserer Redaktion. „Wir nehmen in dieser Woche eine Einladung des Bundespräsidenten an. Nicht mehr und nicht weniger.“Man lasse sich von der Union nicht drängen, „schon gar nicht mit fehlplatzierten Fristen bis Weihnachten“, so Schäfer-Gümbel. Dritte Wege wie die Tolerierung einer Minderheitsregierung müssten wirklich ernsthaft geprüft werden, um den Scherbenhaufen der gescheiterten „Jamaikaner“wegzukehren. ExSPD-Chef und Außenminister Sigmar Gabriel sagte bei einer Veranstaltung der „Zeit“, niemand dürfe von der SPD erwarten, jetzt zu sagen: „Super, wir haben nur darauf gewartet, dass wir jetzt mal große Koalition machen dürfen.“
Trotzdem fuhren auch die Genossen erste Geschütze für die bevorstehenden Gespräche auf. Bereits am Freitag wurden die Bürgerversicherung, das Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit sowie die Solidarrente in den Ring geworfen. Nun legte Schäfer-Gümbel bei den Finanzen nach: „Grundlage für alle Optionen ist unser Steuerkonzept aus dem Wahlkampf“, sagte er – auch mit Blick auf mögliche Verhandlungen über einen Tolerierungsvertrag für eine unionsgeführte Minderheitsregierung. „Klar ist, dass nach unseren Vorstellungen der Soli ab 2020 für untere und mittlere Einkommen entfallen muss. Gleichzeitig wird die Einkommensteuer für große und größte Vermögen steigen, ebenso der Kampf gegen Steuerflucht entschieden geführt werden“, sagte Schäfer-Gümbel. Das führe zu Entlastungen in Höhe von 15 Milliarden Euro. „Diese Vorgaben gelten, weil es mit uns kein ‚weiter so‘ geben wird“, mahnte der SPD-Vize an.
Ob es zu einer dritten großen Koalition unter Merkel kommt, ist völlig offen. Das machte SPD-Chef Schulz beim Juso-Bundeskongress deutlich. Die Jusos lehnen SchwarzRot strikt ab.