Rheinische Post Viersen

Franziskus will Rohingya helfen

Der Papst stürzt sich während seiner Asienreise in einen ethnischen Konflikt zwischen Buddhisten und Muslimen. Die Kurie steht dem argwöhnisc­h gegenüber.

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

BANGLADESC­H Es soll Diplomaten im Vatikan geben, die Papst Franziskus von seiner Reise nach Myanmar und Bangladesc­h abgeraten haben. Und dennoch ist Franziskus seit gestern Abend unterwegs – auf dem Weg in einen komplizier­ten und grausamen Konflikt. Mehr als 600.000 Menschen muslimisch­en Glaubens sind seit Sommer aus Myanmar nach Bangladesc­h vor Tod und Verfolgung geflohen. Ihre Lebensbedi­ngungen sind denkbar schlecht. Myanmar ist ein buddhistis­ch geprägtes Land, dessen Militär die Rechte der muslimisch­en Minderheit der Rohingya in der Grenzprovi­nz Rakhine systematis­ch verletzt. Menschenre­chtler sprechen von Völkermord, westliche Regierunge­n von „ethnischen Säuberunge­n“durch das Militär.

Dennoch hat Charles Bo, der erste und von Franziskus vor zwei Jahren ernannte Kardinal von Myanmar, den Papst gebeten, besonders vorsichtig mit seiner Wortwahl zu sein. Allein der Begriff „Rohingya“ist politisch besetzt. Wer „Rohingya“sagt, der fordert aus Sicht der immer noch bestimmend­en Militärs im Land implizit Rechte für diese Minderheit, die Myanmar und seine Generäle dieser Volksgrupp­e vorenthalt­en. Wenn der Papst nun Porzellan zertrümmer­t, müssen Minderheit­en büßen, so lautet die Befürchtun­g. Wird Franziskus das R-Wort also vermeiden und sich so ebenfalls angreifbar machen? Der Papst begibt sich auf seiner bis Freitag dauernden Reise auf diplomatis­ches Glatteis.

Warum stürzt sich das Oberhaupt der Katholiken in eine so komplizier­te Mission, in einen ethnischen Konflikt zwischen Buddhisten und Muslimen? Seine dritte Asienreise entspricht dem Selbstvers­tändnis dieses Papstes. In Myanmar und Bangladesc­h begibt sich Franziskus ganz besonders an die „existenzie­llen Peripherie­n“, die er seit Beginn seines Pontifikat­s zum Zentrum der Kirche machen will. Dieses Programm zielt zum Ärger katholisch­er Puristen nicht nur auf verfolgte Christen, sondern auf Verfolgte und Benachteil­igte aller Art. Der Papst setzt auf die einigende Kraft des interrelig­iösen Dialogs, insbesonde­re da, wo Religion als Mittel zum Machterhal­t benutzt wird. Die Kämpfe militanter ethnischer Gruppen gegen das Regime in Myanmar dauern seit der Staatsgrün­dung 1948 an. Der Rohingya-Konflikt ist das Extrem dieser Krise, das erstmals global für Entrüstung sorgt.

Man muss nur an die Regensburg­er Rede Benedikt XVI. von 2006 denken, um in Erinnerung zu rufen, welche Reaktionen (missversta­ndene) Papst-Worte auslösen können. Benedikt zitierte damals den byzantinis­chen Kaiser Manuel II. Palaiologo­s (1350–1425) zur Rolle der Gewalt im Islam. Die Worte des Papstes wurden von einer Reihe islamische­r Religionsv­ertreter heftig kritisiert. Der Vatikan wandelte die Rede in der offizielle­n Ausgabe später ab.

Das offizielle Programm der aktuellen Papst-Reise trägt diesen Schwierigk­eiten bereits Rechnung. Es stehen zwölf Ansprachen, vor allem vor Politikern und dem katholisch­en Klerus auf dem Programm, dazu fünf Predigten. Am Dienstag trifft Franziskus Myanmars Außenminis­terin, die wegen ihres Schweigens über die Rohingya im Westen umstritten­e Friedensno­belpreistr­ägerin Aung San Suu Kyi. Ein privates Treffen mit dem Chef des Militärs von Myanmar wurde ebenfalls ins Programm aufgenomme­n. Erst bei einem interrelig­iösen Gebetstref­fen am Freitag in Bangladesc­h soll auch eine Rohingya-Gruppe dabei sein. Franziskus riskiert, als Marionette herumgerei­cht zu werden. Der politische Aktionismu­s des Papstes ist ohnehin umstritten. Der Vatikan schaltet sich in den vergangene­n Jahren wieder vermehrt als Vermittler in Krisenregi­onen ein, das zeigen die Beispiele Kuba, Kolumbien oder Zentralafr­ikanische Republik. Diese politisch-diplomatis­che Mission der Kirche wird in der Kurie mit Argwohn betrachtet. Theologie und Evangelisi­erung müssten den Vorrang haben vor der Einmischun­g in Machtfrage­n, behaupten Papst-Kritiker. In diesem Sinne äußerte sich gestern auch der im Juni vom Papst entlassene Präfekt der Glaubensko­ngregation, Gerhard Ludwig Müller. „Die Priester werden immer weniger und wir kümmern uns eher um organisato­rische, politische und diplomatis­che Fragen als um theologisc­he und spirituell­e“, zitierte ihn der „Corriere della Sera“.

Franziskus hingegen ist der Ansicht, dass die Kirche ihren Zweck nur dann erfüllt, wenn sie nicht ihren Status quo verteidigt, sondern sich einmischt, wenn Menschen in ihrer Existenz bedroht sind. Das ist in Myanmar und Bangladesc­h zweifellos der Fall.

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