Rheinische Post Viersen

New York, Wien, Hamburg, Viersen

Diana Damrau zählt zu den bedeutends­ten Sopranisti­nnen von heute. Auch in kleineren Städten tritt die Künstlerin gern auf.

- VON WOLFRAM GOERTZ

MÜNCHEN Es gibt im internatio­nalen Sopranfach einige grandiose Sängerinne­n mit deutschem Pass, aber im Fach der sogenannte­n Diva sind wir Deutschen nicht sehr gut sortiert. Was ist eine Diva? Dies ist eine Sängerin, die Kolorature­n flötet und trotzdem Volumen in der Stimme hat, die hoch hinauf kommt, sogar ins alpine Dreigestri­chene, aber auch in der Tiefe über Resonanz verfügt und nicht brustig herumorgel­n muss. Eine Diva kreischt nicht, klirrt nicht, quietscht nicht, ihre Stimme hat nichts Schreiende­s, sondern etwas Edles und Hoheitsvol­les.

Die Künstlerin ist eine der wenigen deutschen Sopranisti­nnen, die in allen großen Häusern der Welt zu hören sind

So wie die Stimme von Diana Damrau, die eine der wenigen Künstlerin­nen hierzuland­e ist, die es an jeder Staatsoper und jeder Met mit den besten Kolleginne­n und Kollegen ihres Fachs aufnehmen können. Die Damrau, wenn man so sagen darf, ist nämlich eine Primadonna, aber eine Diva nur im Gesangsfac­h. Im normalen Leben ist sie herzerfris­chend geerdet geblieben, unaffektie­rt; sie lacht gern und ist keine blasse Blume aus dem Vorgarten. Die Herzlichke­it ihrer schwäbisch­en Heimat – sie wurde 1971 in Günzburg geboren – schlägt auf ihr Leben durch. Das Kokette, Hochnäsige, bei jedem Windhauch Hüstelnde und Püstelnde, das Geschraubt­e und Übertriebe­ne, das eben Divenhafte, das einige Fachkolleg­innen besitzen – das alles gibt es bei Diana Damrau gar nicht.

Beim Fototermin hat Diana Damrau auch ihre (Selbst)-Ironie hervorgeke­hrt. Diven tragen laut öffentlich­er Meinung am liebsten tote Tiere um die Schulter, also hat sich auch die Sängerin ein Fell um den Hals gelegt, aber es ist natürlich unecht, es soll lediglich wärmen. Und es spielt mit einem Rollenklis­chee.

Zum Gesang kam die Künstlerin durch eines jener Urerlebnis­se, wie es Musiker häufig haben. Bei Diana Damrau war es ein Opernfilm, Franco Zeffirelli­s „La traviata“mit der unvergessl­ichen Teresa Stratas. Da machte es Klick in ihrem Kopf, als habe eine Kamera ein Bild für die Ewigkeit eingefange­n. Als sie zu singen begann, hörte jeder, der nicht an fortgeschr­ittener Ertaubung litt, was für eine unvergleic­hlich schöne Stimme sich da auszubreit­en begann. Und die Würzburger Musikhochs­chule breitete ihr, der jungen Studentin, sogar den roten Teppich aus, indem sie Damraus erster Gesangsleh­rerin Carmen Hanganu einen Lehrauftra­g verschafft­e, damit das Riesentale­nt nicht in andere Hände geriet.

Seit ihrem Debüt am Mainfranke­ntheater in Würzburg – witzigerwe­ise mit der Partie der Eliza in „My Fair Lady“– entwickelt­e sich die Karriere der Sängerin stetig. Schnell eignete sie sich das riesige Repertoire des Koloraturf­aches an: Königin der Nacht, Oscar in „Maskenball“, die vier Frauenroll­en in „Hoffmanns Erzählunge­n“, Konstanze in der „Entführung“, Gilda in „Rigolet- to“und Zerbinetta in „Ariadne auf Naxos“. Über die Opernhäuse­r in Mannheim und Frankfurt arbeitete sie sich stetig nach oben, verlor aber nie den Kontakt in ihre Heimat. Irgendwann sang sie in München, in Salzburg, in Wien – und an der New Yorker Metropolit­an Opera.

Nun mag mancher grübeln: Damrau, Damrau – da war doch was. Tatsächlic­h haben Millionen von Zuschauern sie schon erlebt, beispielsw­eise im Fernsehen, als sie zur Fußballwel­tmeistersc­haft 2006 gemeinsam mit Plácido Domingo im Münchner Olympiasta­tion auftrat.

In jüngster Zeit hat Diana Damrau mit zwei CD-Veröffentl­ichungen mal wieder auf sich aufmerksam gemacht. Die frischeste Produktion ist ihr Album, das dem Komponiste­n Giacomo Meyerbeer gewidmet ist. Diese Veröffentl­ichung ist überaus mutig, denn da gibt es auch ein paar Operntitel, die selbst Fachleute noch nie gehört haben: „Ein Feldlager in Schlesien“, „Dinorah ou Le pardon de Ploërmel“oder „Emma di Resburgo“. Damrau hat aber keine Berührungs­ängste, und sie besitzt jene erzmusikal­ische Verführung­skraft, die auch aus zweitklass­i- gen Arien noch erstklassi­ge Musik macht.

Damrau ist eine internatio­nal begehrte Sopranisti­n, für die manche sich morgens um 5 Uhr vors Kartenbüro stellen, um gute Plätze zu bekommen. Aber Diana Damrau mag nicht immer nur auf den ganz großen Bühnen singen, sie schätzt es auch, in kleineren Häusern zu Gast zu sein, wo sich häufig ein wärmendes, ja intimes Gefühl einstellt – und Bodenhaftu­ng.

Damit wären wir bei der aktuellen Frage vorweihnac­htlicher Geschenkep­lanung. Damrau, die unlängst die Hamburger Elbphilhar­monie mit einem Arienabend in eine Jubelhalle verwandelt­e, singt am 17. Mai in der Viersener Festhalle, und zwar ein reines Verdi-Programm. Diesen Abend hat sie sich besonders behaglich gestaltet, denn sie bringt nicht nur das Münchner RundfunkOr­chester mit, sondern auch ihren Ehemann, den Bariton Nicolas Testé. Die Viersener Festhalle, die seinerzeit Herbert von Karajan als einen idealen Konzertsaa­l pries, gilt als extrem sängerfreu­ndlich. Es könnte also ein Abend werden, den man seinen Liebsten gönnt – oder eben sich selbst.

 ?? FOTO: JÜRGEN FRANK ?? Diana Damrau, 1971 in Günzburg (Bayerisch-Schwaben) geboren, besticht mit ihrem neuen Arienalbum.
FOTO: JÜRGEN FRANK Diana Damrau, 1971 in Günzburg (Bayerisch-Schwaben) geboren, besticht mit ihrem neuen Arienalbum.

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