Rheinische Post Viersen

Belgische Wertarbeit beim Elfmeter

Früher hatte Borussia in Filip Daems einen sicheren Schützen. Sein Landsmann Thorgan Hazard setzt die Tradition fort.

- VON KARSTEN KELLERMANN

Als Schiedsric­hter Manuel Gräfe am Samstag in seine Pfeife blies und auf den Elfmeterpu­nkt im Strafraum des FC Bayern zeigte, schaute auf der Haupttribü­ne des BorussiaPa­rks Lenno rüber zu seinem Vater. „Das wäre was für Papa“, mag der Filius gedacht haben. Ein logischer Denkansatz wäre das mithin gewesen, denn Filip Daems, und um niemand anderen als Borussias langjährig­en Kapitän handelt es sich hier, ist der sicherste Elfmetersc­hütze der jüngeren Gladbacher Vergangenh­eit. 18 von 20 Schüssen vom Punkt brachte er zwischen 2005 und 2015 im Netz unter.

Daems, der Belgier, hat 2017 seine Karriere beendet. Zwar spielt er noch für die Weisweiler Elf, doch Ad-hoc-Einsätze in der Bundesliga sind nicht mehr drin. Unten auf dem Rasen trat sein Landsmann zur Ausführung an: Thorgan Hazard. Er setzt die belgische Elfmeter-Tradition fort. Sein 1:0 beim 2:1 gegen die Bayern war der siebte Treffer beim achten Elfmeter in seiner Gladbacher Zeit. In dieser Saison hat Hazard eine 100-Prozent-Quote: Alle vier Elfmeter, die er übernahm, landeten im Tor. Den fünften Gladbacher Elfmeter brachte Raffael im Tor unter. Daems ist zufrieden mit seinen Nachfolger­n.

Das war in der vergangene­n Saison anders. Daems war weg und plötzlich war das Thema Elfmeter arg negativ besetzt bei Borussia. In der Liga wurden drei von vier Elfmetern verschosse­n, mit dem doppelten Fehlschuss gegen den HSV begann der Niedergang in der Hinrunde. Borussia setzte sich dann zwar in Hamburg dank zweier verwandelt­er Elfmeter im Pokal-Viertelfin­ale durch, schaffte aber den Finaleinzu­g nicht, weil es gegen Frankfurt vom Punkt schiefging. Nun scheint die Angst der Borussen beim Elfmeter überwunden. Insbesonde­re bei Hazard. „Er macht das super“, lobt Daems.

Hazard ist ein „Eisvogel“geworden in dieser Disziplin, in der er auch seinen ersten Treffer als Bo- russe fabriziert­e. Das war am 28. August 2014 im zweiten EuropaLeag­ue-Play-off gegen FK Sarajevo (7:0). Seither hat er nur einmal nicht getroffen: In der vergangene­n Saison gegen RB Leipzig, als er am 19. Februar beim 1:2 im Borussia-Park an Peter Gulásci scheiterte. Es ist der bis dato letzte Elfmeter, den Gladbach in der Bundesliga vergeben hat. In Leipzig, gegen Hannover, in Berlin und gegen die Bayern verwandelt­e Hazard, gegen Stuttgart übernahm Raffael den Job, weil Hazard der Gefoulte war, und der – auch in der Neuzeit haben alte Fußballges­etze ihre Gültigkeit – soll nicht selbst schießen. Raffael „vertrat“Hazard standesgem­äß.

Der Belgier selbst bewies zweimal höchste Konzentrat­ionsfähigk­eit am Punkt. Gegen Hannover und gegen die Bayern musste er das Ergebnis der Diskussion des Schiedsric­hters mit dem Video-Assistente­n abwarten, als er schon am Kreideflec­k bereitstan­d. „Durch den Videobewei­s ist es schwierige­r geworden für die Schützen. So lange zu warten, ist nicht so gut“, sagt Daems. Gegen Hannover hatte es sogar was von High Noon: Es war die vierte Minute der Nachspielz­eit, es stand 1:1, die Rehabilita­tion nach dem 1:6 in Dortmund wäre misslungen mit einem Nicht-Sieg. Minutenlan­g wartete Hazard, dann gab es grünes Licht – und er schoss den Ball in die linke untere Ecke zum 2:1.

Gegen die Bayern musste er etwas weniger warten, alles war auch nicht ganz so dramatisch, doch erneut ließ er sich nicht aus der Ruhe bringen. „Du musst konzentrie­rt bleiben auf den Ball und auf den Elf- Elfmeter-Statistik In Borussias Bundesliga-Historie haben 46 Spieler insgesamt 271 Elfmeter geschossen, von denen 215 verwandelt wurden. Das ist eine Quote von knapp 80 Prozent. Wilfried Hannes schoss die meisten Elfmeter (36), sechs verschoss er. VizePräsid­ent Rainer Bonhof hat eine 100-Prozent-Bilanz: zehn Schüsse, zehn Tore. Er ist einer von 16 Spieler, die alle ihre Elfmeter verwandelt­en (sieben davon schossen nur einmal). Mehr Infos zu Borussia finden Sie im Internet unter www.rp-online.de/fohlenfutt­er meter. Ich denke dann daran, wohin ich schieße, rechts, in die Mitte, nach links, manchmal entscheide ich in letzter Sekunde“, sagt Hazard. Optionen zu haben bei der Wahl der Mittel, kann beim Elfmeter helfen, schließlic­h sind die Torleute gut informiert über die Schützen. Gegen die Bayern war „unten links“die finale Entscheidu­ng. Torwart Sven Ulreich ahnte das, war am Ball, konnte ihn aber nicht entscheide­nd ablenken. „Ich hatte Glück“, sagt Hazard.

Nach dem Training übt Hazard ab und an den Ernstfall. Doch das volle Stadion, der Druck unten im Kessel, all das ist nicht wirklich zu simulieren. Elfmeter sind in der Realsituat­ion immer ein Nervenspie­l für den Schützen. Hazard hat aktuell Nerven aus Stahl. Dank der vier Elfmeter und seines Feld-Tores bei 1899 Hoffenheim ist er Borussias bester Torschütze. Zwar sagte der große Pelé mal, dass Elfmeter keine richtigen Tore seien (seinen 1000. Treffer erzielte er dann kurioserwe­ise vom Punkt), doch Hazard nimmt es, wie es ist: „Tor ist Tor“, sagt er.

So sieht es auch Fachmann Filip Daems. Ganz grundsätzl­ich sagt er: „Wenn der Ball drin ist, war er gut geschossen.“So leicht ist die belgische Wertarbeit vom Punkt erklärt.

 ?? FOTO: DIRK PÄFFGEN ?? Thorgan Hazard trifft per Elfmeter zum 1:0 gegen die Bayern. Raffael und Niklas Süle (verdeckt) schauen zu.
FOTO: DIRK PÄFFGEN Thorgan Hazard trifft per Elfmeter zum 1:0 gegen die Bayern. Raffael und Niklas Süle (verdeckt) schauen zu.
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