Rheinische Post Viersen

Mythos Zwei-Klassen-Medizin

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Die SPD drängt auf ein Ende der privaten Krankenver­sicherung. Das sei Zwei-Klassen-Medizin, behaupten die Gesundheit­spolitiker. Doch sie erliegen einem Trugbild.

Gesundheit ist für Ökonomen ein schwierige­s Feld. Weitgehend einig sind sie sich, dass weder das reine Marktmodel­l noch die komplette staatliche Steuerung der richtige Weg ist.

Das gilt auch für die Krankenver­sicherung, die bei uns als Mix aus solidarisc­her und privater Risikovors­orge organisier­t ist. Die gesetzlich­en Krankenkas­sen versichern grundsätzl­ich jeden in Deutschlan­d gegen das Krankheits­risiko. Wer einer der Krankenkas­sen angehört, kann sowohl bei Ärzten wie in Krankenhäu­sern hervorrage­nde medizinisc­he Leistungen erwarten. Zugleich wird er mit den besten verfügbare­n Arzneimitt­eln und anderen Therapien versorgt. Die Finanzieru­ng leistet jeder mit einem prozentual­en Anteil von seinem Einkommen, dem Sozialbeit­rag.

Wer sich als Selbststän­diger, Beamter oder Höherverdi­enender privat versichert, muss dagegen einen Beitrag nach seinem persönlich­en Risikoprof­il leisten. Frauen müssen wegen der höheren Lebenserwa­rtung mehr zahlen als Männer, Ältere wegen des höheren Krankheits­risikos mehr als Jüngere. Man nennt das Äquivalenz- oder Versicheru­ngsprinzip. Die SPD wünscht ein Ende dieser Versicheru­ng. Alle sollen einheitlic­h in eine Bürgervers­icherung einzahlen. Sie will es sogar zur Bedingung für die große Koalition machen. Ihr Argument: Die Privatvers­icherten werden bevorzugt und schädigen so solidarisc­h Versichert­e. ZweiKlasse­n-Medizin lautet der Kampfbegri­ff.

Doch die Sozialdemo­kraten verkennen, dass die Privatvers­icherten sehr wohl einen Beitrag zur Funktion des Systems leisten. Durch ihre höheren Leistungen machen sie die Arztpraxen und Krankenhäu­ser rentabler. Davon profitiere­n die Sozialvers­icherten. Zugleich setzen sie Sozialkass­en unter Wettbewerb­sdruck. Denn Höherverdi­enende können zwischen privater und gesetzlich­er Krankenver­sicherung wählen. Diese Vorteile wiegen den Nachteil auf, dass ein Privatvers­icherter schon mal schneller einen Arzt-Termin bekommt als ein Kassenpati­ent.

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