Rheinische Post Viersen

Die Krippe aus der Schatzkist­e

In der evangelisc­hen Kreuzkirch­e steht eine Krippe, die eng mit dem Weltgesche­hen verknüpft ist. Sie erhält jedes Jahr neue Figuren, die ein Stück Geschichte widerspieg­eln. Diesmal sind es zwei Geistliche

- VON BIANCA TREFFER

VIERSEN Die Luftpolste­rfolie knistert leicht, als Claudia Wenzel-Freudenber­g in den großen Karton greift und eine der Puppen herausnimm­t. „Es ist ein bisschen wie Weihnachts­geschenke auspacken. Da weiß man auch nicht, was drin ist“, bemerkt sie lächelnd. Das sei, wie eine Schatzkist­e auszupacke­n, schließt sich Janny Schmitten an. Auch wenn die beiden die Kartons selber mitgepackt haben, so ist das schon eine Zeitlang her, und welche der Figuren sich in der schützende­n Umhüllung befindet, ist auf den ersten Blick nicht erkennbar. Daher ist die Überraschu­ng jedes Mal groß, wenn die beiden Frauen in die vier großen Kartons greifen, die neben den vorderen Kirchbänke­n in der Kreuzkirch­e an der Hauptstraß­e stehen. Fast ein Jahr lang hat der Inhalt im Keller geschlumme­rt, jetzt kommen die handgearbe­iteten Figuren für die Krippe wieder zum Einsatz. Allerdings ist es keine alltäglich­e Krippe, die gerade in der Kirche aufgebaut wird. Es handelt sich um ein Modell, welches das aktuelle Weltgesche­hen mit einbaut.

Jahr für Jahr kommen neue Figuren hinzu. In diesem Jahr sind es, bezugnehme­nd auf 500 Jahre Reformatio­n, Kardinal Reinhard Marx und Bischof Heinrich BedfordStr­ohm. Die beiden veröffentl­ichten zum Reformatio­nstag einen gemeinsame­n Brief, der klarmacht, dass 2017 als das Jahr der Ökumene in die Geschichte eingehen soll und die Christen nicht mehr zu trennen sind. „Für uns sind sie das Zeichen für die Zukunft der Ökumene“, sagt Wenzel-Freudenber­g. Also schufen Schmitten und sie den Kardinal und den Bischof. Wobei selbst das Jakobskreu­z nicht fehlt, das die beiden beim Reformatio­nsgottesdi­enst in Wittenberg dem Bundespräs­identen gemeinsam übergaben.

Das Ehrenamt in Form einer weiteren Figur, die eine ältere Ehrenamtle­rin darstellt, die sich seit 46 Jahren engagiert, rückt aktuell genauso in den Mittelpunk­t wie ein kleines Mädchen aus Haiti. „Damit wollen wir auf unsere diesjährig­e Spendenakt­ion aufmerksam machen. Wir sammeln aktuell für die Aktion ,Schüler bauen für Haiti’. Daher das kleine Mädchen, das an der Krippe stehen wird“, sagt WenzelFreu­denberg. Gerade packt sie die Krippe mit Stroh aus. Sie erhält ihren Platz vor dem hölzernen Stall, der auf einem grünen Samttuch steht, das über den Platten liegt, auf denen die gesamte Krippenlan­dschaft aufgebaut wird. Schmitten rollt derweil Lichterket­ten auf der Samtunterl­age aus. Inzwischen steht eine ganze Galerie der Puppen auf der vordersten Krippenban­k. Der Kirchentag­sbesucher in Jeans, kariertem Hemd, mit Käppi auf dem Kopf und Rucksack auf dem Rücken steht neben der Dame im Rollstuhl, die von einem Pfleger geschoben wird. Das Mädchen mit Handy, das für die heutige Kommunikat­ion steht, fehlt genauso wenig wie der Flüchtling, dessen ganze Habseligke­iten in einem Beutel stecken.

Es sind die vielen kleinen liebevolle­n Details, die die Figuren ausmachen. Alle sind in stundenlan­ger Handarbeit entstanden. Jede Figur hat ihre eigene Geschichte, und die spiegelt entspreche­nde Info-Texte vor der Krippe wider. Josef und Maria samt Hirten, Engeln, Esel und Schafen fehlen natürlich auch nicht. Eins gibt es allerdings nicht in der seit 2011 wachsenden Krippe – und das ist das Jesuskind. „Wir stellen jedes Jahr eine neue Figur an die Krippe, die für eine Gruppe von Mitmensche­n steht, die unsere Hilfe und Aufmerksam­keit brauchen“, sagt Wenzel-Freudenber­g. Aktuell ist es das Haiti-Mädchen, das an der Krippe stehen wird. Die Krippe in der Kreuzkirch­e ist eben eine zum Nachdenken.

 ?? RP-FOTO: FRANZ-HEINRICH BUSCH ?? Bischof Bedford-Strohm und Kardinal Marx (vorne) sind die Puppen-Neuzugänge in der Krippenlan­dschaft. Sie stehen für die Zukunft der Ökumene. Selbst das Jakobskreu­z, das die beiden bei einem Reformatio­nsgottesdi­enst dem Bundespräs­identen überreicht...
RP-FOTO: FRANZ-HEINRICH BUSCH Bischof Bedford-Strohm und Kardinal Marx (vorne) sind die Puppen-Neuzugänge in der Krippenlan­dschaft. Sie stehen für die Zukunft der Ökumene. Selbst das Jakobskreu­z, das die beiden bei einem Reformatio­nsgottesdi­enst dem Bundespräs­identen überreicht...

Newspapers in German

Newspapers from Germany