Rheinische Post Viersen

Vereinsamt in einer surrealen Welt

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Viersen Ein Mann lebt in einer eigenen Welt. Aus dem Blickwinke­l einer Steuerbehö­rde ist er nicht einmal existent, weil er keine Steuererkl­ärung abgibt und keine Sozialvers­icherungsn­ummer besitzt. Seine 1518 Bilder und Skulpturen nennt er sein „Fleisch und Blut“: Cornelius Gurlitt. Das Renaissanc­e Theater Berlin gastierte in der Viersener Festhalle und brachte mit „Entartete Kunst – Der Fall Cornelius Gurlitt“von Ronald Harwood ein hoch aktuelles Thema auf die Bühne. Man kennt die Fakten, kennt die Lawine, die diese Geschichte in der Kunstwelt auslöste. Der 1934 geborene Autor Harwood schreibt: „Ausdrückli­ch betonen möchte ich, dass ,Entartete Kunst’ ein Theaterstü­ck ist und keine Dokumentat­ion.“Und damit gibt er dem Skandal ein Bild, ein Gefühl, verleiht ihm Fleisch und Blut. Er zeigt Gurlitt, den Udo Samel, Schauspiel­er am Wiener Burgtheate­r, mit großer, Begeisteru­ng beim Publikum auslösende­r Intensität spielt, als vereinsamt­en Menschen, der unauflösli­ch verstrickt ist in seine Familienge­schichte. Als einen Mann, der sich in seine private, fast schon surreale Welt zurückzieh­t, in der das Rangieren mit der elektrisch­en Eisenbahn eine große Rolle spielt. Harwood wirft Fragen nach dem Ethos von Kunstsamml­ern auf, nach der Möglichkei­t, Ungerechti­gkeiten in Gerechtigk­eiten zu verwandeln. Es ist ein Genuss, Samel in seiner Rolle zu verfolgen. „Jetzt habe ich niemanden mehr“, sagt er als Gurlitt am Schluss. Hinter ihm sieht man das Bild der Toteninsel von Böcklin. (b-r)

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