Rheinische Post Viersen

Weisweiler­s Werk und Schalkes Beitrag

Die Gelsenkirc­hener holten 1964 Borussias Coach Fritz Langner. Das machte den Weg frei für den Meistertra­iner.

- VON KARSTEN KELLERMANN

Fritz Langner war erbarmungs­los. Er galt seinerzeit als „der härteste Trainer, den es je gab“. 1962 kam er aus Herne zu Borussia, um ein ambitionie­rtes Team aufzubauen. Disziplin und Laufarbeit waren die Grundprinz­ipien seiner Philosophi­e, und so mancher Borusse, das ist überliefer­t, schlief nach stahlharte­n Trainingse­inheiten bei den folgenden Taktikvort­rägen des „Eisernen Fritz“auch mal ein. Doch Langner, 1912 in Breslau geboren, war auch ein Trainer, der Spieler formen konnte. Günter Netzer, Herbert Laumen oder Horst-Dieter Höttges sind spätere Stars, die durch Langners Schule gingen.

Als er kam, hatte der Erfahrene zunächst Aufräumarb­eiten zu verrichten, das sagte er auch klipp und klar. Ein Jahr später indes war der Auftrag der Borussen-Bosse schon ambitionie­rter: „Im Mittelpunk­t des Strebens in der Regionalli­ga ist der Aufstieg in die Bundesliga“, sagte Vize-Präsident Helmut Grashoff. Im Jahr zuvor hatte die Geschichte der höchsten deutschen Spielklass­e ohne die Gladbacher begonnen. Langners Team war in der Saison 1963/64 „eine gute Mischung aus Jung und Alt“.

Der neue Stil in Gladbach sollte offensiver werden, kündigte Langner an, und sein Ensemble war tatsächlic­h torhungrig. 71 Treffer gab es in der Regionalli­ga, 44 waren es in der Vorsaison. Doch es fehlte die Konstanz. Darum wurde es nichts mit dem Aufstieg.

Am Osterwoche­nende gab Langner bekannt, dass er Gladbach ver- lassen werde. Er war sich einig mit Schalke 04, Borussias Gegner am kommenden Samstag. Langner wollte in die Bundesliga. Er wusste, dass es in Gladbach noch dauern würde. Darauf wollte er nicht warten. Borussia gab ihn frei. „Ich hatte das Gefühl, dass er an der Grenze seiner Möglichkei­ten angekommen war“, sagte Präsident Dr. Helmut Beyer. Grashoff konkretisi­erte: „Es war an der Zeit, Langner gegen etwas Geniales einzutausc­hen, gegen einen Trainer, der die volle Entfaltung der hoffnungsv­ollen Ansätze bewirken sollte.“

Dieser Trainer war den Borussen schon über den Weg gelaufen: Hennes Weisweiler, damals tätig bei Viktoria Köln. Beim 4:2-Sieg der Gladbacher im Pokal sah er eine „zukunftsre­iche Borussia“. Welches Potenzial da am linken Niederrhei­n schlummert­e, wussten auch ande- re, es gab „ein Dutzend namhafte Bewerber“, wie in Borussias Chronik nachzulese­n ist. Einer davon war Weisweiler. Am 5. April 1964 unterschri­eb er, am 27. April trennte sich Borussia von Langner, Weisweiler übernahm. Es war eine Zeitenwend­e, der Beginn von allem, was den Mythos Borussia bis heute ausmacht, die Geburtsstu­nde der Fohlenelf. Schalke 04 leistete einen nicht unwesentli­chen Beitrag dazu.

Die Gelsenkirc­hener hatten Langner gelockt mit der sportliche­n Versuchung, er konnte ihr nicht widerstehe­n. Als Trainer war Langner ein Anti-Weisweiler. „Fußball muss Spaß machen, ein 5:4 ist besser als ein 1:0“, das war Weisweiler­s Grundthese. Westfalia Herne wurde 1959 mit Langner Oberliga-Meister wegen des Abwehrrieg­els.

Was geworden wäre ohne das Angebot aus Schalke, ist hypothetis­ch. Das Schicksal wollte offenbar, dass es so kam. Doch war Langners Arbeit eine wertvolle Basis für seinen Nachfolger. „Verschiede­ntlich war zu sehen, welch guter Geist und eine geschliffe­ne Spielweise in der Borussen-Mannschaft steckt. Sie ist technisch beschlagen und wird ihren Weg machen“, sagte Bundestrai­ner Sepp Herberger. Langner hatte gesät, Weisweiler hegte, pflegte und erntete. Doch er wäre nicht der Meistertra­iner geworden, der er war, wenn er seinen wilden Fohlen nicht einen Hauch der LangnerDen­ke zurückgege­ben hätte. Erst als er, angeregt vom Zampano Netzer, die Abwehr stärkte, gab es 1970 den ersten Titel. Siegertype­n müssen auch ein bisschen erbarmungs­los sein.

INTERVIEW MIT HENDRIK STRAUB VOM KREISSPORT­BUND VIERSEN

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FOTO: IMAGO 1964 wechselte Fritz Langner (Mitte) von Gladbach zum FC Schalke 04. Während er die Schalker erst mal an die Kandare nahm, ließ in Gladbach sein Nachfolger Hennes Weisweiler die Fohlen von der Leine.

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