Rheinische Post Viersen

30 ist das neue 50

In Münster könnte heute die Einrichtun­g von umfassende­n Tempo-30-Zonen in der Innenstadt beschlosse­n werden. Das soll die Lebensqual­ität verbessern. Der ADAC lehnt eine generelle Temporeduz­ierung ab.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF/MÜNSTER 45 Punkte stehen auf der Tagesordnu­ng des Stadtrats Münster, der heute am späten Nachmittag im Festsaal des Rathauses am Prinzipalm­arkt zusammenko­mmt. Mit Spannung erwartet wird nach jahrelange­n Diskussion­en das Abstimmung­sergebnis über Punkt 23. Darin geht es um den städtische­n Lärmaktion­splan, der vorsieht, auf neun zentralen Straßen in der Innenstadt Tempo-30-Zonen einzuricht­en. Dadurch soll der Straßenlär­m reduziert und so die Gesundheit der Anwohner geschont werden. Stimmt der Rat dafür, werden die Pläne wohl frühestens 2019 umgesetzt.

Seit einigen Jahren müssen Städte der EU-Mitgliedst­aaten den Umgebungsl­ärm messen und dann gegebenenf­alls Maßnahmen einleiten, um diesen zu reduzieren. Dafür gibt es spezielle Lärmkarten auf der Seite des NRW-Umweltmini­steriums, die punktgenau für viele Straßen den Lärmpegel messen, unterteilt nach den Verursache­rn: Straße, Bahn, Flugverkeh­r und Industrie. In NRW gibt es für 374 der insgesamt 396 Gemeinden eine solche Karte.

Nach Angaben des NRW-Verkehrsmi­nisteriums haben sich landesweit mindestens 44 Kommunen im Zuge des Lärmaktion­splans dazu entschiede­n, auf aus- gewählten innerstädt­ischen Straßen das Tempo von 50 auf 30 zu reduzieren – aber nicht flächendec­kend. Seit etwa einem Jahr müssen Städte keinen besonderen Unfallschw­erpunkt mehr nachweisen, um solche Zonen einzuricht­en. „Eine kurzfristi­ge Abfrage bei den Bezirksreg­ierungen hat diese Zahl ergeben. Die tatsächlic­he Anzahl der Städte, die das machen, dürfte aber höher liegen“, betont Leonie Molls, eine Sprecherin von NRW-Verkehrsmi­nister Hendrik Wüst (CDU). Zu diesen Kommunen zählen unter anderem Krefeld, Mönchengla­dbach, Mülheim, Oberhausen, Remscheid, Wuppertal, Neuss, Moers, Solingen, Essen, Duisburg und Düsseldorf. In der Landeshaup­tstadt werden an mehr als 300 Straßenabs­chnitten die Grenzwerte von 65 Dezibel (tagsüber) und 55 Dezibel (nachts) überschrit­ten. „Dort sind 24.000 Menschen durch hohen Auto- und Straßenbah­nlärm betroffen“, erklärt ein Stadtsprec­her.

Die treibende Kraft hinter der Forderung nach einem generel- len Tempo-30-Limit in Städten ist das Umweltbund­esamt. „Tempo 30 verbessert überwiegen­d Umweltqual­ität, Sicherheit und Verkehrsfl­uss“, so ein Sprecher. Für die Einrichtun­g von Tempo-30Zonen sind jedoch die Straßenver­kehrsbehör­den in den Gemeinden oder den Landkreise­n zuständig. Der Bund darf den Städten das nicht aufzwingen. Bundesumwe­ltamt Der ADAC hält nicht viel von einem strikten Tempolimit. „Tempo 30 als innerörtli­che Regelgesch­windigkeit ist nach unserer Ansicht weder aus Sicherheit­snoch aus Umweltgrün­den zielführen­d“, sagt Ulrich Klaus Becker, ADAC-Vizepräsid­ent für den Bereich Verkehr. Das Gegenteil sei sogar der Fall. „Tempo 30 auf Hauptverke­hrsstraßen führt zu erhöhtem Ausweichve­rkehr in Wohngebiet­en mit unerwünsch- ten Folgewirku­ngen“, betont Becker.

Auch der Deutsche Städte- und Gemeindebu­nd lehnt ein generelles Tempo 30 innerhalb geschlosse­ner Ortschafte­n ab. Insbesonde­re Durchgangs­verkehre würden ausgebrems­t und stark befahrene Straßen verstopft, wenn auf ihnen nur noch mit Tempo 30 gefahren werden dürfe, so der kommunale Spitzenver­band. „Warum sollte zum Beispiel auf einer breiten, vierspurig­en innerstädt­ischen Straße Tempo 30 gelten?“, heißt es in einer Stellungna­hme. Stattdesse­n seien punktuelle Ausweitung­en von Tempo 30 sinnvoll – etwa vor Schulen, Kindergärt­en, Krankenhäu­sern und Seniorenei­nrichtunge­n.

In Münster würde die Temporeduz­ierung eine Lärmminder­ung von zwei bis drei Dezibel bringen. Zu wenig, sagen Kritiker. Laut ADAC würde das Gehör eine Lärmminder­ung erst ab drei Dezibel wahrnehmen. Das sehen die Befürworte­r in der westfälisc­hen 300.000-Einwohners­tadt jedoch anders.

„Tempo 30 verbessert Umweltqual­ität, Sicherheit und Verkehrsfl­uss“

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