Touristenansturm überfordert Amsterdam
Gerade die Tagesgäste stoßen Bewohnern und Politik übel auf. Radikale Schritte sollen das Problem lösen.
AMSTERDAM (ap) Alte Häuser, malerische Grachten und lebensfrohe Menschen – der Charme Amsterdams zieht viele Touristen an. Nach der Meinung vieler Bewohner zu viele. Auch dass manche Besucher sich nicht zu benehmen wissen, stößt Amsterdamern bitter auf. Die Übernachtungszahlen stiegen von gut acht Millionen in 2006 auf 14 Millionen im vergangenen Jahr. Dazu kommen unzählige Tagesgäste. Zwar bringen die Touristen Geld in die Kassen, doch die immateriellen Kosten für die 850.000-Einwohner-Metropole mit ihrem zum Unesco-Welterbe zählenden Grachtengürtel wiegen schwer.
Vor allem jene Besucher, die die Stripclubs und Coffee-Shops überschwemmen, stören die Bewohner. An sie richtet sich die klare Botschaft von Stadtrat Udo Kock: „Wenn euer einziger Grund für euren Besuch der ist, euch volllaufen zu lassen und euch total zu bekiffen, dann hört zu: Wir können euch nicht davon abhalten zu kommen, aber wir wollen euch hier nicht.“
Ein Plan, den ungewollten Tourismus in den Griff zu bekommen, zielt denn auch auf Klasse statt Masse. Vorgeschlagen ist, die Fremdenverkehrssteuer als feste Gebühr anzusetzen. Das würde die Billigunterkünfte verteuern und das Wachstum „im oberen Marktsegment“ankurbeln, wie Stadtrat Kock sagt. Doch das Problem geht tiefer als bekiffte Besucher und Low-BudgetTouristen. Auch die vielen Tagesgäste und die Besucher, die die vielen privaten Unterkünfte nutzen, tragen zu der störenden Mischung bei. „Es verletzt einfach den Charakter der Stadt“, sagt Kock über den An- sturm. Einige Viertel hätten sich bereits so verändert, dass die seit langem dort lebenden Anwohner es inzwischen nicht mehr in ihrem Stadtteil aushielten.
„Hier liegt das Problem“, erklärt Stephen Hodes, Gründer der Denkfabrik „Amsterdam in Progress“. „Wie schafft man die Balance, dass die alte Stadt nicht zum Ghetto wird?“Ihre ruhige Straße in der Amsterdamer Altstadt sei nicht mehr wiederzuerkennen, berichtet die Musikerin Kyra Philippi. Billigunterkünfte hätten die Nachbarschaft völlig verändert, die Besucher hätten begonnen, in einem öffentlichen Garten Partys zu feiern. „Wir konnten es dort nicht länger genießen.“Sie zog die Reißleine und siedelte mit ihrer Familie an den Stadtrand um. Mit Airbnb schloss die Stadt inzwischen eine Vereinba- rung: Der Online-Anbieter für Privatunterkünfte wird Vermietungen künftig auf 60 Tage pro Jahr begrenzen und zusätzlich die städtische Touristentaxe erheben.
Weitere Schritte, die Amsterdam schon unternommen oder in Planung hat, sind ein Baustopp für neue Hotels oder die Verlegung des Kreuzfahrtschiff-Terminals an den Stadtrand. Doch all das reicht noch nicht aus. „Es gibt keine Patentlösung“, meint Stadtrat Kock. Stephen Hodes sagt über die bisherigen Schritte: „Das ist alles symbolisch.“Er tritt für einen Hotel-Baustopp auch in der Umgebung ein. Und er will den Kreuzfahrttourismus kappen. Dennoch weiß er, dass der Ansturm nur schwer zu bändigen sein wird. „Das Problem ist viel zu groß, als dass wir es derzeit bewältigen könnten.“