Rheinische Post Viersen

Achterbahn in der zweiten Liga

Die Hinrunde im Fußball-Unterhaus hat eines gezeigt: Es gibt keine Favoriten. Meist entscheide­n Tagesform und erarbeitet­es Selbstvert­rauen über Sieg und Niederlage. Mittendrin sind Fortuna Düsseldorf und der MSV Duisburg.

- VON BERND JOLITZ UND PATRICK SCHERER

DÜSSELDORF/DUISBURG Die zweite Fußball-Bundesliga ist in dieser Saison alles, aber nicht berechenba­r. Aufsteiger Holstein Kiel ist Herbstmeis­ter, Absteiger SV Darmstadt 98 steht auf dem Relegation­splatz Richtung Liga drei, und die anderen vermeintli­chen Aufstiegsk­andidaten schwirren im Niemandsla­nd der Tabelle umher. Die Mannschaft­en sind stark von Wochen- und Tagesform abhängig. Das führt zu Siegesund Sieglos-Serien und schließlic­h zu einem Ritt durch die Liga wie auf einer Achterbahn. Talfahrt Für Fortuna Düsseldorf schien der Weg nach oben zunächst keine Grenzen zu haben. Mitunter brannte die Truppe von Trainer Friedhelm Funkel ein Offensivfe­uerwerk ab (wie beim furiosen 3:2 gegen Union Berlin) oder sie kontrollie­rte den Gegner

mit einer äußerst stabilen Defensivar­beit und brutaler Effektivit­ät im Angriff (wie beim 2:0 in Bielefeld). Und wenn beides mal nicht funktionie­rte, dann hatte Fortuna auch noch das Glück eines Spitzenrei­ters, fuhr trotz schwächere­r Leistung in Aue (2:0) und St. Pauli (2:1) dennoch Siege ein.

Funkel mahnte schon in jenem ersten Saisondrit­tel, dass ein solch extremes Hoch nicht von Dauer sein kann. Und er behielt Recht: Seit dem trotz guter Vorstellun­g verlorenen Pokalspiel gegen Gladbach (0:1) ruckelt es im rot-weißen Achterbahn-Wagen. Er rutscht ins Gefälle hinein, zuletzt mit dem 0:2 gegen Nürnberg. Das liegt zum einen daran, dass Verletzung­en und Sperren das zentrale Mittelfeld blockierte­n, zum anderen daran, dass das anfangs überreichl­ich vorhandene Glück sich zuletzt abwandte. Mit dem Weggang von Co-Trainer Peter Hermann zu den Bayern, wie ein derzeit beliebter Mythos besagt, dürfte es eher weniger zu tun haben. Das alles ist bis jetzt mit Tabellenpl­atz drei noch im grünen

Bereich, da die Vereinsfüh­rung vor Saisonbegi­nn schon wegen ihres optimistis­chen Planziels – ein Rang unter den ersten sechs – milde belächelt worden war. Doch die Ansprüche steigen schnell in Düsseldorf. Schön für Fortuna, dass ein Achterbahn-Wagen meist irgendwann wieder bergauf fährt. Bergfahrt In Duisburg begann die Fahrt mit kleineren Erhebungen und Gefällen. Der finanziell keineswegs auf Rosen gebettete Aufsteiger brauchte sieben Anläufe bis zum ersten Heimsieg. Dass der MSV dennoch nie auf einem der letzten drei Plätze stand, war der Auswärtsst­ärke zu verdanken – und einem ruhigen Umfeld. Auch ein Zwischenti­ef mit fünf Spielen ohne Sieg konnten dem Team von Ilia Gruev nichts anhaben. Aus den vergangene­n acht Spielen holten die Meideriche­r dann vier Siege und drei Remis. Das führte zur Bergfahrt mit 23 Punkten auf Platz zehn. Der überrasche­nde Erfolg ist auf ein Zusammensp­iel von Kaderzusam­menstellun­g, Trainingsa­rbeit und Glück zurückzufü­hren. Sportdirek­tor Ivica Grlic gelang es, die Mannschaft auf entscheide­nden Positionen zu verstärken. Innenverte­idiger Gerrit Nauber, Mittelfeld­maschine Lukas Fröde, die Außenbahns­pieler Moritz Stoppelkam­p und Cauly Souza und Stoßstürme­r Borys Tashchy schlugen voll ein. Trainer Gruev gelang es, die Neuen in ein stabiles 4-4-2-System zu integriere­n. Und im Gegensatz zur Abstiegssa­ison vor zwei Jahren bleiben die Duisburger von Verletzung­ssorgen weitgehend verschont. Bleibt das so, kann die Bergfahrt auch in der Rückrunde weitergehe­n. Looping Am höchsten Punkt der Strecke steht man schon mal auf dem Kopf – und das ist beim KSV Holstein Kiel definitiv der Fall. Der Aufsteiger hat die Euphorie aus der Dritten Liga herüberger­ettet, fegt mit seinem erfrischen­den Offensivfu­ßball über die Gegner hinweg wie auf einer rasenden Abfahrt. Mit dem feinen Unterschie­d, dass eine wirkliche Talfahrt an der Ostsee nicht in Sicht ist. Trainer Markus Anfang hat ein Team geformt, von dem Funkel sagt: „Kiel hat das Zeug dazu, oben zu bleiben.“Zumindest haben die „Störche“jene Klubs, die vor der Saison auf den Favoritens­child gehoben wurden – Ingolstadt, Bochum, St. Pauli, Union Berlin – zur Halbzeit abgehängt. Aber hinter dem Spitzentri­o geht es noch eng zu: Platz vier und 15 trennen nur fünf Punkte. Und es wird weiter auf und ab gehen auf der Achterbahn – darauf hofft nicht zuletzt Schlusslic­ht Kaiserslau­tern.

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