Rheinische Post Viersen

Wenn Flüchtling­e zu Freunden werden

Der Sport ist ein wichtiges Instrument zur Integratio­n. Der FC Lobberich/Dyck hat mit Hilfe von Migranten eine Reserve gegründet.

- VON DAVID BEINEKE

GRENZLAND Als der Flüchtling­sstrom nach Deutschlan­d im Jahr 2015 seinen Höhepunkt erreichte, da war das Thema von den Fußballern des FC Lobberich/Dyck noch ganz weit entfernt. „Damals haben wir nur ab und zu Flüchtling­e gesehen, weil nahe unserer Anlage eine Unterkunft war. Aber da wären wir nie auf die Idee gekommen, welche anzusprech­en“, sagt Jonas Pleuß, Abteilungs­leiter Senioren beim FC. Heute sieht das ganz anders. In den beiden Männer-Mannschaft­en der Dycker sind 15 Flüchtling­e im Alter von 18 bis 44 Jahren dabei, die regelmäßig am Trainings- und Spielbetri­eb teilnehmen.

„Da sind inzwischen Freundscha­ften entstanden. Fußball ist ein Teamsport, das sind unsere Kumpels“, betont Pleuß. Zwischen Weihnachte­n und Neujahr soll auch noch gemeinsam ein Jahresabsc­hluss gefeiert werden. Dass es dabei zum Bowlingspi­elen geht, kann nicht wirklich verwundern. Denn Sport in all seinen Facetten eignet sich seit jeher für ein zwangloses Miteinande­r jenseits nationaler Grenzen, dank des meist internatio­nalen Regelwerks nimmt auch das Problem möglicher Sprachbarr­ieren ab. So waren es in Deutschlan­d neben vielen anderen Initiative­n auch Sportverbä­nde und Sportverei­ne, die sich vom Beginn der Flüchtling­skrise an darum bemühten, den Schutzsuch­enden eine Integratio­n in Deutschlan­d zu erleichter­n oder wenigstens für ein wenig Abwechslun­g in ihrem Leben zu sorgen, das sich oft nur zwischen Flüchtling­sunterkunf­t und Behörden abspielt.

Das lässt sich auch im Grenzland gut beobachten. So hat der Kreissport­bund Viersen seit Herbst dieses Jahres in Hendrik Straub einen Referenten für das Thema Integratio­n, und in Gestalt der KSG Oh-DoKwan Dülken und die DJK/VfL Willich sind gleich zwei Vereine aus dem Kreisgebie­t vom Deutschen Olympische­n Sportbund offiziell zum Stützpunkt für Integratio­n benannt worden. Darüber hinaus gibt es noch zahlreiche Grenzland-Vereine, die für ihr Flüchtling­s-Engagement vom Landesspor­tbund finanziell unterstütz­t wurden. Aber auch Privatinit­iativen bedienen sich des Sports, um die Menschen aus krisengesc­hüttelten Ländern wie etwa Syrien, Irak und Afghanista­n zu erreichen. So zum Beispiel die Nettetaler Andreas Koll und Björn Rulands, die auf Flüchtling­e zugingen und das Fußballtea­m Nettetal United auf die Beine stellten.

Als unsere Redaktion vor genau einem Jahr erstmals über das ambitionie­rte Projekt berichtete, äußerte Initiator Andreas Koll den Wunsch, dass sich die Mannschaft möglichst bald auflösen möge. Nur vordergrün­dig ein Widerspruc­h, denn bedeutet, dass alle Flüchtling­e in Vereinen untergekom­men sind. Mitte dieses Jahres war es tatsächlic­h so weit. Nachdem im Laufe der Zeit bereits einige der United-Spieler beim BSV Leuterheid­e, beim TSV Kaldenkirc­hen oder bei Union Nettetal angeheuert hatten, machte nach einem weiteren Freundscha­ftsspiel gegen die Dycker Jonas Pleuß Nägel mit Köpfen. Nachdem er sich mit den FCVorstand­skollegen abgesproch­en hatte, baute er nach einer Trainingse­inheit der Flüchtling­s-Kicker auf dem Platz einen mobilen Schreibtis­ch auf und gewann neue Spieler für seinen Verein. „Dadurch ist es uns nach über zehn Jahren mal wieder gelungen, eine zweite Mannschaft zum Spielbetri­eb anzumelden“, erklärt Pleuß. Anfänglich­e Bedenken, die Männer aus einem völlig anderen Jonas Pleuß Kulturkrei­s hätten eventuell Probleme damit, das deutsche Ligensyste­m und damit die Notwendigk­eit regelmäßig­er Einsätze zu verstehen, stellten sich als unbegründe­t heraus.

„Es gab schon zwei, drei Spieler, die wir nicht mehr gesehen haben. Aber die große Mehrheit ist regelmäßig beim Training und bei den Spielen und hat Spaß. Wir haben den Schritt nicht bereut“, sagt Pleuß. Vier der Flüchtling­e sind sogar so gut, dass sie den Sprung in die erste Mannschaft geschafft haben, die in der Kreisliga C, Gruppe 2, im gesicherte­n Mittelfeld überwinter­t. Der Rest spielt mit den Deutschen in der Reserve, die früher in der Erstvertre­tung nicht zum Zuge kamen. Dass das Team in der ersten CLiga-Gruppe mit nur einem Sieg auf dem letzten Tabellenpl­atz steht, trübt die Stimmung nicht. „Bei uns steht das Gewinnen nicht im Vordergrun­d. Die Gemeinscha­ft und der Zusammenha­lt sind uns wichtig“, erklärt Pleuß. Nach anfänglich­er Zurückhalt­ung haben sich die Flüchtling­e innerhalb ihres ersten Halbjahres bei den Dyckern in diese Gemeinscha­ft toll eingefügt. Jetzt geht es sogar nicht mehr nur um Sport, die Migranten tauschen sich mit ihren Vereinskam­eraden auch über ihre Probleme im Alltag aus. Etwa, wenn es um die Aufenthalt­serlaubnis oder die Arbeitssuc­he geht. Wenn möglich, helfen die deutschen Mitspieler dann auch.

Seit sich United Nettetal aufgelöst hat, hat Andreas Koll die meisten seiner Schützling­e etwas aus den Augen verloren. Deswegen freut er sich, dass die Flüchtling­shilfe Nettetal weiter an die Integratio­nskraft des Sports glaubt und in der Vorweihnac­htszeit auf ihn mit der Bitte zukam, ein Hallenfußb­all-Turnier für Flüchtling­steams auf die Beine zu stellen. Gespielt wird am Samstag, 6. Januar, in der Lobberiche­r Hattrick Hall. „Ich freue mich auf ein Wiedersehe­n“, betont Koll.

„Die Gemeinscha­ft und der Zusammenha­lt sind uns wichtig“ Abteilungs­leiter Senioren beim FC Lobberich/Dyck

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FOTO: STEPHANIE PLEUSS Egal, ob Deutscher oder Flüchtling: Beim FC Lobberich/Dyck spielt der Teamgedank­e eine sehr wichtige Rolle.

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