Rheinische Post Viersen

„Wie der Funke in einem Pulverlage­r“

Davood A. genießt Asyl in Deutschlan­d. Angesichts der Proteste im Iran sorgt er sich um seine Familie.

- VON FRANZISKA HEIN

DÜSSELDORF Wenn Davood A. (Name von der Redaktion geändert) gefragt wird, was er sich für seine Heimat, den Iran, wünscht, sagt er: „Eine demokratis­che Regierung, die Religion von Politik trennt.“Die vergangene­n zwei Wochen haben gezeigt, wie weit das Land davon noch entfernt ist. Gestern gaben die iranischen Revolution­sgarden bekannt, man habe der jüngsten Protestwel­le ein Ende gesetzt. Bei den Unruhen waren mindestens 21 Personen getötet worden, Hunderte wurden festgenomm­en. Es waren die größten Proteste seit dem umstritten­en Ausgang der Präsidente­nwahl 2009.

Damals demonstrie­rten Tausende in Teheran gegen die Wahl von Präsident Mahmud Ahmadineds­chad. Davood A. unterstütz­te die Proteste – und bezahlte den Preis dafür: Mehrere Jahre lebte der heute 36-jährige Illustrato­r im Untergrund, um sich vor dem Regime zu verbergen. Schließlic­h gelang ihm 2015 die Flucht nach Europa. Deswegen möchte Davood A. seinen echten Namen nicht preisgeben. Seine Mutter, sein Bruder und seine Schwester leben im Iran. An seine Rückkehr ist nicht zu denken. Zu gefährlich, sagt er.

Weihnachte­n hatten die Proteste in der Provinzsta­dt Maschhad begonnen. „Sie wurden von einem konservati­ven Regierungs­kleriker organisier­t“, sagt Davood A. Zunächst hätten sie sich gegen die liberalere Wirtschaft­spolitik von Präsident Hassan Ruhani gerichtet. „Aber dann haben auch viele gewöhnlich­e Menschen daran teilgenomm­en, die sauer über ihre Situation sind. Es war wie ein Funke in einem Pulverlage­r“, sagt Davood A. „Sie haben gegen die schlechte wirtschaft­liche Lage demonstrie­rt. Dann kamen politische Gruppen hinzu, die fordern, das gesamte islamische System zu stürzen.“

Der junge Mann hält wenig von Ruhani, der als moderater Politiker gilt. Ruhani bemühte sich seit 2013 darum, die Beziehunge­n zum Wes- ten zu verbessern. Er erreichte, dass die wirtschaft­lichen Sanktionen gegen den Iran gelockert wurden. Doch an der Wirtschaft­skrise hat sich nichts geändert. „Er hat seine Wahlverspr­echen nicht erfüllt“, sagt Davood A. Beispielsw­eise stehe der Führer der „Grünen Revolution“von 2009, Mir Hossein Mussawi, weiterhin unter Hausarrest. Und wirtschaft­lich gehe es den Menschen schlecht. Auch seine Familie habe finanziell­e Probleme. Er würde seiner Mutter gerne Geld überweisen, doch er hat in Deutschlan­d noch keine feste Stelle gefunden.

Davood A. macht sich Sorgen um seine Geschwiste­r. Denn beide ha- ben an einer Demonstrat­ion teilgenomm­en, erzählt er. Mehr möchte er dazu nicht sagen. Seine Familie werde vom Regime beobachtet. Er befürchtet, dass seine Geschwiste­r Ähnliches erleben könnten wie er 2009. Aber die aktuellen Demonstrat­ionen seien anders als die von 2009, meint er. „Die Demonstran­ten fordern den Sturz des gesamten Systems“, sagt er. „2009 richteten sich die Proteste wegen der Wahlfälsch­ungen gegen die politische Elite und die Regierung.“

Viele junge Leute, auch einige seiner Freunde, äußerten sich nun positiv über die Pahlevi-Monarchie und den Thronfolge­r Reza Pahlevi, der im Exil lebt. Nach der Islamische­n Revolution von 1979, als die Mullahs die Herrschaft im Iran übernahmen, hatte der Schah ins Ausland fliehen müssen. Heute kann sich Davood A. eine parlamenta­rische Monarchie als Staatsform für den Iran vorstellen. „Iran ist ein reiches, zivilisier­tes und schönes Land. Der Iran wurde in den Händen der Ajatollahs zerstört. Sie müssen gestürzt werden. Die Welt sollte dem iranischen Volk helfen“, sagt er. Und er prophezeit: „Da das korrupte System die Forderunge­n der Bürger nicht mehr erfüllt, werden sich neue Proteste bilden.“ Die Flucht von Davood A. als Comic: https://interaktiv.rp-online.de/ flucht-comic

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FOTO: DPA Proteste im Iran: Teheran am 31. Dezember 2017.

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