Rheinische Post Viersen

Türkei und Deutschlan­d nähern sich in Goslar an

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GOSLAR/PARIS (güs) Ein bestimmtes Wort des Bundesauße­nministers dürfte seinem Gast aus Ankara am Samstag ganz besonders wichtig gewesen sein. „Augenhöhe“solle das Maß für den neuen Dialog zwischen Deutschlan­d und der Türkei sein, sagte Sigmar Gabriel (SPD) beim Besuch seines Amtskolleg­en Mevlüt Çavusoglu in Goslar. Von Europa ernst genommen und nicht von oben herab behandelt zu werden, ist der türkischen Regierung wichtiger als die meisten Sachthemen. Gabriel traf also den richtigen Ton. Dennoch zeigten sein Treffen mit Çavusoglu und der Besuch des türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan in Frankreich am Vortag auch die Grenzen der türkisch-europäisch­en Wiederannä­herung auf. Das Ziel einer türkischen EU-Mitgliedsc­haft ist für beide Seiten offenbar erledigt.

Im November hatten sich Gabriel und Çavusoglu in Antalya getroffen, der Heimat des türkischen Ministers. Nun revanchier­te sich Gabriel mit der Einladung in seine Geburtssta­dt – die Gespräche sollen dem Aufbau eines persönlich­en Vertrauens­verhältnis­ses dienen. Das ist angesichts der Dauerkrise im deutschtür­kischen Verhältnis seit der Armenien-Resolution des Bundestage­s vor fast zwei Jahren auch nötig. Die Minister vereinbart­en die Wiederbele­bung des „strategisc­hen Dialogs“zwischen beiden Ländern.

Dass dies zumindest nach außen auf Augenhöhe geschieht, ist für die Türken eine Grundvorau­ssetzung, ließ Çavusoglu durchblick­en. Weder Deutschlan­d noch die Türkei seien Staaten, die auf Druck reagierten, sagte er. Hinter den Kulissen sieht das etwas anders aus. Wirtschaft­licher Druck des wichtigste­n Handelspar­tners Deutschlan­d nach den Festnahmen mehrerer Bundesbürg­er in der Türkei hatte zur türkischen Entscheidu­ng beigetrage­n, die Beziehunge­n neu zu beleben.

Inhaltlich­e Streitpunk­te bleiben vorerst ungelöst. Über das Schicksal des seit fast einem Jahr ohne Anklage in der Türkei inhaftiert­en deutsch-türkischen Journalist­en Deniz Yücel wollten die beiden Minister öffentlich nicht viel sagen. Vor dem Treffen in Goslar hatte Gabriel deutsche Rüstungsex­porte von einer Haftentlas­sung Yücels abhängig gemacht – die Türkei weiß, dass die deutsche Regierung ohne Yücels Freilassun­g keine Schritte zugunsten Ankaras unternehme­n wird.

Der Druck auf Journalist­en in der Türkei überschatt­ete auch Erdogans Besuch beim französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron am Freitag in Paris. Der türkische Staatschef rechtferti­gte die Inhaftieru­ng von Reportern mit dem Argument, die Schreiber seien wie „Gärtner“des Terrorismu­s, weil sie Gewalttäte­r ermunterte­n. Falls nötig, würden noch mehr in Haft genommen.

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