„Den Klang der Stimmen und Instrumente kann man fühlen“
Am Sonntag lädt das Bach Ensemble Niederrhein zum Weihnachtskonzert ein. Eva Kenkenberg und Bernhard Zanders erklären, warum die Weihnachtszeit nicht vorbei ist und warum Singen glücklich macht
VIERSEN Wenn die ausrangierten Tannenbäume schon am Straßenrand stehen, lädt das Bach Ensemble Niederrhein (BEN) traditionell zu seinem Weihnachtskonzert ein. In diesem Jahr singt der Chor die „Historia von der Geburt Jesu Christi“von Heinrich Schütz. Der Vorsitzende des Ensembles, Bernhard Zanders, und Chormitglied Eva Kenkenberg erklären, warum jetzt ein guter Zeitpunkt für ein Weihnachtskonzert ist und was jungen Leuten die klassische Musik näher bringen kann.
Heiligabend liegt zwei Wochen zurück. Ist Ihnen noch weihnachtlich zumute?
ZANDERS Laut Kirchenjahr endet die Weihnachtszeit Anfang Februar mit Mariä Lichtmess. Davon abgesehen sind Fragen nach der Weihnachtsgeschichte und nach dem Umgang mit dem Fest immer aktuell. KENKENBERGIch finde es richtig, das Konzert nicht in den Rummel der Vorweihnachtszeit zu platzieren. Unsere Zuhörer kommen zur Ruhe. Es ist immer eine tolle Atmosphäre. Ich finde aber auch, dass uns die Adventszeit als Zeit der Besinnung, des Fastens und des Erwartens verloren geht. Ab dem 1. Dezember glitzern doch überall die Tannenbäume.
Diesmal steht das Oratorium von Heinrich Schütz auf dem Programm. Was ist das Besondere daran?
ZANDERS Schütz lebte in einer Zeit des Umbruchs (1585-1672). Er war ein unglaublich kreativer, moderner Komponist seiner Zeit wie Monteverdi auch. Mit Monteverdi und Schütz wurde die Musik Sklave des Textes. Vorher interpretierte die Musik nicht den Text und insbesondere nicht die Emotion. Mit Schütz wurden erstmals Emotionen mit der Musik ausgedrückt. Das, was heute überall üblich ist. Außerdem begleitet uns ein Orchester mit historischen Instrumenten. KENKENBERG Wenn im Oratorium der Engel zur Verkündigung kommt, dann spürt man, wie fröhlich, fast tänzerisch die Musik wird.
Sie sind ein Laienchor mit gehobenem Anspruch. Muss man bei Ihnen eine Aufnahmeprüfung bestehen?
ZANDERS Unsere Mitglieder sind alle erfahrene Sänger. Viele haben Gesangsunterricht. Wer sich für uns interessiert, kann eine Probe mitmachen. Eine Aufnahmeprüfung gibt es nicht, aber ein Vorsingen beim Chorleiter – wie bei anderen Chören auch.
Hat der Chor Nachwuchssorgen?
ZANDERS Nicht direkt, aber wir würden gern junge Leute dazu nehmen. Wir hätten gern noch zwei Tenöre und zwei Sopräne. Wenn das junge Leute wären, hätten wir das ganze Jahr Weihnachten. KENKENBERG Im Popularbereich ist Singen ja wieder angesagt – etwa das Rudelsingen. Die jungen Leute haben entdeckt, dass Singen gut tut. Man atmet richtig, der Körper wird mit Sauerstoff und Glückshormonen versorgt. Außerdem ist es eine schöne gemeinschaftsstiftende Aktivität.
Warum sollten junge Leute zu Ihrem Konzert kommen?
KENKENBERG Ich würde sie bitten, sich einfach darauf einzulassen und zuzuhören. Ich erlebe es, dass junge Leute völlig perplex und begeistert sind vom Klang und von der Klangfülle. Man hört ja nicht nur die Stimmen und Instrumente, sondern man spürt auch die Schwingungen. Man kann die Musik fühlen. ZANDERS Vor etwa 15 Jahren fanden junge Leute Klassik oft blöd oder bürgerlich. Die jungen Leute heute dagegen sind komplett unbelastet.
Was fasziniert Sie an den Alten Meistern?
ZANDERS Die Reinheit im Klang, die schwebenden Harmonien. KENKENBERG Die Alten Meister sind für mich ein Teil unserer Kulturgeschichte. Sie haben die Menschen Jahrhunderte lang begleitet. Da fühle ich mich schnell zu Hause.