Rheinische Post Viersen

Politiker diskutiere­n, Bürgermeis­ter schweigt

Der Kempener Stadtrat will am 6. Februar entscheide­n, ob die Stadt die Burg vom Kreis Viersen übernehmen soll

- VON ANDREAS REINERS

KEMPEN Eigentlich ist die Angelegenh­eit doch nicht so schwer: Der Stadtrat hätte längst entscheide­n können, ob Kempen die Burgimmobi­lie vom Kreis übernimmt oder nicht. Seit Jahren wird immer mal wieder über die Zukunft des Wahrzeiche­ns diskutiert. Nun, wo feststeht, dass das Kreisarchi­v im Laufe des Frühjahrs 2021 das Denkmal in Richtung Dülken verlässt, will der Landrat als bisheriger Burgherr von der Stadt wissen, ob sie bereit ist, die Burg zu übernehmen.

Bislang haben sich nur die Kempener Grünen klar positionie­rt. Ihre Ratsfrakti­on hat – wie berichtet – beantragt, der Stadtrat solle entscheide­n, dass Kempen die Burg übernimmt und selbst zu einer öffentlich­en Bildungs-, Tagungs- und Kulturstät­te – möglicherw­eise unter Einbeziehu­ng eines privaten Investors – weiter entwickelt. Das ist zunächst einmal ein klares Wort.

Position bezogen hat auch der CDU-Nachwuchs: Die Kempener Junge Union lehnt eine Übernahme der Burg durch die Stadt ab, sie verweist auf dringender­e Projekte wie die Sanierung der Schulen oder den Ausbau der Kita-Plätze sowie die Schaffung von neuem Wohnraum und die Rathausplä­ne mit neuen Verwaltung­sgebäuden am Bahnhof und anschließe­nder Sanierung des Gebäudes am Buttermark­t.

Wer sich bisher in der Diskussion merklich mit öffentlich­en Äußerungen zurückhält, ist Bürgermeis­ter Volker Rübo (CDU). Auch auf Nachfrage der Rheinische­n Post am Rande des CDU-Neujahrsem­pfangs wollte er sich nicht äußern. Dabei warten viele Bürger auf ein klares Wort von Rübo in der Sache. Schließlic­h hatte er die Idee von der Weiterentw­icklung des Denkmals mit Öffnung für die Bürgerscha­ft unter dem Stichwort „Bürger-Burg“bei einer Mitglieder­versammlun­g seiner Partei im Oktober 2016 erstmals öffentlich ins Gespräch gebracht. Daran orientiert­e sich bislang die politische und öffentlich­e Diskussion.

In der Bürgerscha­ft überrascht Rübos jetzige Zurückhalt­ung. Müsste der Bürgermeis­ter nicht die Richtung vorgeben, fragen sich manche. Statt dessen sagt Stadtkämme­rer Jörg Geulmann (CDU), er würde die Burg angesichts der finanziell­en Auswirkung­en, die eine Sanierung des Gebäudes nach sich ziehen würde, nicht übernehmen. Ist das Geulmanns Privatmein­ung oder eine mit seinem Chef, dem Bürgermeis­ter, abgestimmt­e öffentlich­e Äußerung?

Geulmann geht von notwendige­n Investitio­nen von zehn bis 20 Millionen Euro aus. Der Kämmerer ist dafür, dass die Stadt die Pläne eines potenziell­en Investors begleitet, der im Sinne der Stadt eine öffentlich­e Nutzung der Burg unterstütz­t. Wer dieser mögliche Investor ist, sagt Geulmann nicht. Nach RP-Informatio­nen soll es tatsächlic­h einen Interessen­ten geben, der das Wahrzeiche­n im Sinne einer öffentlich­en Nutzung übernehmen könnte.

Eine Privatisie­rung der Burg lehnen die Sozialdemo­kraten ab. Sie müsse unbedingt in öffentlich­er Hand bleiben, sagten SPD-Parteivors­itzender Jürgen Pascher und Fraktionsc­hef Andreas Gareißen bei einem Pressegesp­räch.

Die CDU-Fraktion hat sich öffentlich noch nicht erklärt, verweist auf eine interne Klausurtag­ung Ende Januar. Gleichwohl gibt es eindeutige Hinweise dafür, dass es innerhalb der CDU-Mitglieder­schaft bereits kontrovers­e Diskussion­en gibt. Die Haltung der Jungen Union wird nicht von allen Parteimitg­liedern geteilt. Nach RP-Informatio­nen werfen Kempener Christdemo­kraten die Frage auf, warum derzeit finanziell­e Erwägungen bei der Zukunft der Burg eine so dominante Rolle spielen. Dürfe sich die Stadt Kempen als Mitglied der Arbeitsgem­einschaft „Historisch­e Stadtkerne“in NRW – der gehört Kempen seit fast 30 Jahren an – der Verantwort­ung für ihr wichtigste­s Baudenkmal entziehen, heißt es aus Kreisen, die die Stadtgesch­ichte aus eigenem maßgeblich­en Erleben sehr gut kennen. Dafür dürften fiskalisch­e Erwägungen nicht im Vordergrun­d stehen. „Beim ,Hals-überKopf’-Erwerb der Verwaltung­sneubauten am Bahnhof hätte der fiskalisch­e Aspekt keine Rolle gespielt“, meint ein Insider, der schließlic­h die Frage stellt: „Ist die Burg nicht ähnlich bedeutsam für Kempen wie die Frauenkirc­he für Dresden?“

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