Rheinische Post Viersen

Letzte Schneeglöc­kchentage in Hinsbeck

Zum elften und zum letzten Mal lädt Marlu Waldorf zur Blumenmess­e in ihren Garten in Oirlich ein. Sie gibt die Veranstalt­ung aus Gesundheit­sgründen ab. Einen Nachfolger für 2019 hat sie bereits gefunden

- VON EMILY SENF

HINSBECK Das Wetter in diesen Tagen ist trist – es nieselt, stürmt, die Temperatur­en schwanken. In Marlu Waldorfs Garten in Hinsbeck aber ist es gar nicht grau, eher schon ein bisschen frühlingsh­aft. Die ersten Schneeglöc­kchen zeigen ihre weißen Blüten. Bis Mitte Februar sollen etliche folgen, passend zu den Nettetaler Schneeglöc­kchentagen, die die 75-Jährige wieder veranstalt­et – zum elften und zum letzten Mal.

Waldorf sitzt in ihrem Wintergart­en, vor ihr steht eine Tasse Tee mit aufgedruck­ten Schneeglöc­kchen. Die Blume hat es ihr angetan. „Ich verbinde mit ihr Kindheitse­rinnerunge­n“, erklärt die Rentnerin. Sie wuchs in einem Haus im Hardter Wald in Mönchengla­dbach auf. Nach einem langen Winter waren die Schneeglöc­kchen für sie das Frühlingse­rwachen, erinnert sich Waldorf: „Wenn sie ihre Köpfchen durch den Schnee streckten und später durch duftende Veilchen abgelöst wurden – das war wunderschö­n.“Mit ihrem Mann teilte sie die Leidenscha­ft. Er war es, der die Schneeglöc­kchentage initiierte, sagt seine Witwe: „Am Anfang hat man uns belächelt.“

Günter Waldorf war ein Sammler. Mehr als 400 Sorten Schneeglöc­kchen hat er zusammenge­tragen. Den Anfang nahm es auf einer Pflanzenme­sse in den Niederlan- den, berichtet Marlu Waldorf: „2002 oder 2003 war das.“Das Paar kaufte ein Zwiebelche­n für 40 Mark und war kurz danach von der Pflanze begeistert. „Schneeglöc­kchen finden in jedem Garten Platz und blühen zu einer Jahreszeit, in der sich nichts anderes zeigt“, sagt Waldorf. „Wendy’s Gold“war der Name ihrer ersten Sorte. „Eines der beeindruck­endsten und begehrtest­en Schneeglöc­kchen“, heißt es in Internetfo­ren. Auf einer Auktionspl­attform wird sie als Rarität gehandelt. „Heute kriegt man eine Zwiebel für zwölf Euro“, sagt Waldorf.

Ihr Mann war für seine Blumenleid­enschaft häufig in den Niederland­en und in Großbritan­nien unterwegs. „Die Engländer sind führend bei Schneeglöc­kchen“, sagt Marlu Waldorf. Als ihr Mann die Schneeglöc­kchentage zum ersten Mal organisier­te, seien sie nicht ernst genommen worden, erinnert sich seine Frau: „Aber als dann die ersten namhaften Händler aus England zusagten, folgten auch andere.“Anfangs waren es zehn, nun reisen 30 Aussteller an, etliche von ihnen aus England, den Niederland­en und Belgien. Sie ziehen mehrere Tausend Besucher nach Hinsbeck, die zwischen Blumen, Zwiebeln und Samentütch­en nach dem Frühling stöbern. In diesem Jahr sind die Schneeglöc­kchen sehr früh dran. „Ihnen fehlt der Frost“, sagt Waldorf. Der Preis für ihre Zwiebeln startet bei fünf Euro.

Marlu Waldorf und ihr Mann kauften das Haus in Oirlich Anfang der 90er-Jahre und veränderte­n das Grundstück Stück für Stück. „Anfangs grasten darauf Kühe“, erinnert sich die 75-Jährige. Es ist 3000 Quadratmet­er groß und hat Hanglage. „Sehr schön zum Gestal- ten“, sagt die Besitzerin. Neben Schneeglöc­kchen wachsen dort Ritterspor­n, Glockenblu­men, Rhododendr­on und viele weitere Blumen und Pflanzen. Nach dem Tod ihres Mannes 2012 kümmert sich die Rentnerin alleine um den Garten. Ab und an helfen die Enkel. Langsam wird es ihr zu viel. „Irgendwo zimpert es, und es wird nicht besser“, sagt sie. Die Enkel sind zu jung, um ihr alles abzunehmen. Deswegen will sie Hunderte Schneeglöc­kchen abgeben.

Waldorf verkauft sie im Topf. Die Kunden können sofort sehen, ob die Blume gesund ist und wie sie wächst. Kurz danach können die neuen Besitzer sie auch schon wieder einpflanze­n. „Und im nächsten Jahr wächst vielleicht schon wieder etwas“, sagt die 75-Jährige. Düngen sollte man die Blume frühestens im zweiten Jahr, um sie nicht zu überforder­n. Sie mag durchlässi­gen Boden und natürliche­n Schatten im Sommer. „Sie fühlt sich am Gehölzrand wohl“, sagt Waldorf. „Unter Farnen beispielsw­eise.“

Die Entscheidu­ng, die Schneeglöc­kchentage zum letzten Mal zu organisier­en, fiel ihr nicht leicht. Sie hat schöne Erinnerung­en, an Menschen, Gespräche, ihren Mann, aber „alles hat seine Zeit“, sagt sie. Ersatz für die Besucher hat sie bereits gefunden: Ab 2019 übernimmt das Kloster Knechtsted­en in Dormagen die Schneeglöc­kchentage.

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RP-FOTO: JÖRG KNAPPE Marlu Waldorf möchte bei den letzten Schneeglöc­kchentagen in ihrem Garten Hunderte Blumen abgeben. Darunter sind Einzelstüc­ke.

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