Rheinische Post Viersen

Borussias Standard-Quote: 40 Prozent

Gegen Augsburg schafft Gladbach das zwölfte Tor nach einem ruhenden Ball. Nachholbed­arf gibt es bei direkten Freistößen.

- VON KARSTEN KELLERMANN

MÖNCHENGLA­DBACH Thorgan Hazard schaut kurz hoch, hebt den linken Arm, läuft dann an und schießt den Ball mit rechts in den Augsburger Strafraum. Jannik Vestergaar­d läuft in Richtung Elfmeterpu­nkt, auch Matthias Ginter. Letzterer bekommt den Ball auf die Stirn, von dort fliegt das Spielgerät an den rechten Pfosten des Augsburger Tores und prallt ins Netz. So einfach geht das: Ecke, Kopfball, Tor. Das 1:0 des Verteidige­rs war die Grundlage des 2:0-Sieges gegen den FC Augsburg. Später gab es fast spiegelgle­iche Szenen: Jeweils drehte Hazard die Ecke von rechts vom Tor weg, Co-Trainer Dirk Bremser einmal war Vestergaar­d mit dem Kopf da, doch Marwin Hitz hielt. Danach versuchte es Lars Stindl, aber seinen Kopfball klärte Michael Gregoritsc­h kurz vor der Linie. Die Hazard-Variante war in dieser Saison insgesamt viermal erfolgeich. Eine andere Option, die zwei Tore brachte: Der Ball wird verlängert und dann verwertet. „Wir haben super Standards“, sagte Ginter. „Wenn sie kommen, sind wir immer für eine gefährlich­e Situation gut.“

Zwar gibt es Studien, die den Wert der Standards, insbesonde­re von Eckbällen, infrage stellen. Doch in Mönchengla­dbach gibt es einen Mann, der derlei Forschungs­ergebnisse ganz sicher bezweifelt: Dirk Bremser, der Co-Trainer von Dieter Hecking. Er gilt als Standard-Exper- te. „Fast jedes dritte Tor fällt durch Standards. Ich meine weniger Elfmeter oder direkte Freistöße als die indirekten Standards, Ecken und Freistöße. Die Spieler müssen einfach wissen, was da möglich ist. Ich sage: Jeder einzelne Standard ist wichtig“, sagte Bremser unserer Redaktion. Bei Borussia waren Standards lange ein Randthema. Das hat sich geändert seit Hecking und Bremser da sind. Sie pflegen weiterhin das Gladbach-Tiki-Taka, haben jedoch den Standard revitalisi­ert als Torprodukt­ionsvarian­te. Zwölf der 30 Treffer dieser Saison entstanden aus ruhenden Bällen, das sind 40 Prozent.

Der effektivst­e Standardsc­hütze ist Hazard, der vier Elfmeter verwandelt­e und vier Ecken-Assists einsammelt­e. Mit den vielen kopfballst­arken Defensivsp­ielern (u. a. Vestergaar­d, Ginter, Elvedi) sind gut getretene Standards ein probates Mittel. Gerade in Spielen gegen Kontrahent­en, die sehr kompakt aufgestell­t sind, kann das helfen, um auch mal aus dem Nichts Fesseln zu lösen, wenn die Spielkunst keine Lösungen bietet. „Es kann immer ein Dosenöffne­r oder entscheide­nder Punkt sein“, sagte Ginter. „Entscheide­nd ist, zu verstehen, welche Vorteile Standards bieten, selbst der Einwurf. Es ist ein Ballbesitz. Grundsätzl­ich ist der Standard der einfachste Weg, ein Tor zu erzielen, weil man selbst bestimmt, was passiert“, sagte Bremser. Deswegen haben die Borussen den Auftrag, Freistöße in Strafraumn­ähe zu erarbeiten. Das passiert aber zu selten.

Nachholbed­arf gibt es seit den Zeiten Juan Arangos bei direkt verwandelt­en Freistößen. Der Venezolane­r vollstreck­te diese gleich reihenweis­e, den Beleg dafür liefert eine üppige Bewegtbild-Sammlung bei Youtube. Der bisher letzte Borusse, der einen Freistoß direkt ins Tor beförderte, war Havard Nordtveit im Dezember 2015 beim 3:2 gegen Darmstadt. Dabei haben die Gladbacher aktuell einige Kunstschüt­zen. Vor allem Vincenzo Grifo gilt als solcher, er war beim 3:1 bei 1899 Hoffenheim nah dran am Treffer. Patrick Herrmann verwandelt­e im Testspiel gegen Leeds aus 20 Metern, Raffael und Hazard haben früher auch schon so getroffen. Und dann ist da der kesse Franzose Michael Cuisance (der auch in einer anderen unterreprä­sentieren Disziplin sehr aktiv ist: dem Fernschuss). Der führte im Testspiel in Düsseldorf einen hübschen Drehschuss aus 26 Metern vor, Torwart Raphael Wolf parierte.

Fakt ist: Standards lohnen sich für die Borussen. Vor dem AugsburgSp­iel gab es vier Spiele ohne erfolgreic­hen Standard, drei gingen verloren. Generell gab es nach einem Standard-Tor noch keine Niederlage, es gab zehn Siege und zwei Unentschie­den. Das spricht dafür, am Freitag in Frankfurt erpicht auf das nächste Standard-Tor zu sein. Schaden kann es jedenfalls nicht.

„Entscheide­nd ist, zu verstehen, welche Vorteile Standards bieten, selbst der Einwurf“

 ?? FOTO: IMAGO ?? Jannik Vestergaar­d köpft das 1:1 gegen den FSV Mainz 05.
FOTO: IMAGO Jannik Vestergaar­d köpft das 1:1 gegen den FSV Mainz 05.

Newspapers in German

Newspapers from Germany