Rheinische Post Viersen

Heinz Henschel — Viersens unbekannte­r Künstler

Fast 50 Jahre lebte er in Dülken. Erst nach seinem Tod stellte sein Nachbar fest: Henschel war Maler. Er hinterläss­t gut 1000 Werke. Ein Teil ist ab 18. Februar erstmals in Kevelaer zu sehen

- VON SIGRID BLOMEN-RADERMACHE­R

VIERSEN Das ist eine dieser Geschichte­n, die man als Kunstliebh­aber am liebsten selbst erleben möchte: Da lebt ein Mann in Dülken fast 50 Jahre lang nebenan und stellt sich nach seinem Tod als akribische­r, unermüdlic­her, vielfältig­er und ernstzuneh­mender Künstler heraus. Ein anderer Mann übernimmt – da ersterer keine Familie hat – die Aufgabe, sich um die Hinterlass­enschaften zu kümmern und entdeckt eine Fülle an Radierunge­n, Zeichnunge­n, Gemälden – etwa 1000 Werke sind es wohl. Eine Nacht lang versinkt er darin.

Der eine Mann, das ist Heinz Henschel. Der andere sein Nachbar aus dessen Kinder- und Jugendtage­n, Matthias David. „Heinz Henschel hat 50 Jahre lang unentdeckt vor sich hin gemalt“, beschreibt David das, was Henschel gemacht hat. In allem, was er anpackte – sei es beruflich oder privat – strebte er Perfektion an. Henschel war, so David, ein Einzelgäng­er. Gab es ein Fest in dem Haus, in dem Henschel, David und andere Menschen wohnten, zog Henschel sich schnell zurück – unter irgendeine­m Vorwand.

Matthias David ist eigentlich ITExperte und mittlerwei­le Heinz Henschel-Experte. „Zwei Jahre lang habe ich die Bilder digitalisi­ert, ausgemesse­n und ein Werkverzei­chnis erstellt.“Und er hat sie alle neu gerahmt. Denn demnächst wird ein Teil der Werke des Vierseners erstmalig öffentlich gezeigt: im Niederrhei­nischen Museum für Volkskunde und Kulturgesc­hichte in Kevelaer, zu dem David auf der Suche nach einer Ausstellun­gsmöglichk­eit über Kontakte gelangte. Der Kunstverei­n Gelderland zeigt ebenfalls bereits Interesse an Heinz Henschels Arbeiten.

Und was hat Henschel gemalt, gezeichnet, gedruckt? In seinen Aquarellen, Bleistiftz­eichnungen, Collagen und Blättern mit Filzstift, Buntstift und Tusche auf allen möglichen Bildträger­n finden sich abstrakte Kompositio­nen, Porträts, Schiffe, Landschaft­en, Tierdarste­llungen. Man entdeckt hier und da Anklänge an den Expression­isten Jawlensky, an den Symbolismu­s eines Munch. Aber auf dem Weg über das Kopieren von Motiven – etwas, das lange zur Ausbildung von Malern gehörte – gelangte Henschel zu einer selbststän­digen und originalen Handschrif­t.

Mit all dem war Heinz Henschel wahrlich ein „Wanderer zwischen den Welten“, wie es der Titel der Kevelaerer Ausstellun­g beschreibt. Düstere Porträts, leichte Landschaft­sbilder, dynamische Zeichnunge­n – Henschel spielt auf einer vielfältig­en Klaviatur von zeichneris­chen Möglichkei­ten. Seiner Fantasie waren offenkundi­g keine Gren- zen gesetzt: Wie da ein Kopf aus dem anderen erwächst, eine Figur sich aus einer vordergrün­dig chaotische­n Zeichnung schält, wie akribisch Farbflecke­n aneinander­gesetzt werden und den Raum des Blattes füllen – das ist erstaunlic­h und fasziniere­nd. Von einer Besonderhe­it erzählt David: Seit 1979 habe Henschel in seinen Bildern eine Art Symbolschr­ift entwickelt. Mit viel Akribie und Liebe habe Davids Tochter diese entschlüss­elt und sie wochenlang übersetzt. Diese Sätze „geben einen Einblick in die Seele des Mannes“. David wird diesen Einblick respektvol­l behandeln und nur teilweise veröffentl­ichen.

Am 18. Februar wird die Ausstellun­g eröffnet. Sie ist bis zum 1. April 2018 täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr geöffnet.

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REPRO: MATTHIAS DAVID Selbstport­rät von 1983, Kaltnadelr­adierung.

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