Rheinische Post Viersen

Die Angst der Borussen beim Torschuss muss aufhören

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Das aktuelle Hauptprobl­em Borussias ist mit „minus drei“treffend beschriebe­n – das ist die Tordiffere­nz der Gladbacher. Kein Europa-Anwärter steht in dieser Statistik schlechter da. Es gibt aber ein anderes Klassement, das nach der Torchancen-Statistik sortiert ist: Da ist Gladbach Fünfter. Das zeigt, was das Leipzig-Spiel belegt hat: Borussia ist im Erspielen von Tormöglich­keiten europataug­lich, doch sie hat ein gravierend­es Abschlussp­roblem.

Die Gesamtbila­nz von 30 Treffern (sechs Teams haben mehr Tore erzielt) ist nicht so schlecht, im Schnitt gibt es 1,43 pro Spiel. Doch der Trend der letzten acht Spiele ist pro- blematisch: Da gab es 0,88 Tore im Schnitt. 2018 ist es noch dünner, da sind es nur 0,75 pro Spiel. Borussia hat eine hoch gelobte Angriffsre­ihe, doch die hat seit Beginn der Rückrunde einen allgemeine­n Produktion­sstau. Raffael und Thorgan Hazard haben jeweils einmal getroffen, alle anderen Offensivkr­äfte sind noch ohne Tor, den dritten Treffer des Jahres steuerte Defensivsp­ieler Matthias Ginter bei. Chancen gab es derweil zuhauf für fast alle Männer aus der Abteilung Attacke. So ist für jedes verlorene Spiel zu konstatier­en: mit mehr Treffsiche­rheit wäre es wohl anders gelaufen.

Darum die Frage: Fehlt am langen Ende die Qualität? Dass die Borus- sen die haben, haben sie nachgewies­en. Aber sie rufen sie nicht ausreichen­d ab. So reicht den Gegnern meist ein bisschen Treffsiche­rheit, um zu siegen. „Ärgerlich“ist das Wort, das die meisten Borussen nach dem Leipzig-Spiel benutzten. „Bitter“ein anderes. „Gefährlich“könnte man auch sagen.

Der Plan B, der in dieser Saison mit der Rückhol-Aktion von Raúl Bobadilla installier­t werden sollte, hat bisher noch keine Früchte getragen, auch die anderen „Neuner“, Josip Drmic und Julio Villalba, haben kaum Einsätze und sind torlos. Flanken fliegen oft einfach durch den Strafraum, da es keinen Zielspiele­r gibt. Villalba fällt jetzt langfristi­g aus, seine Vorzüge wie das ausgeprägt­e Kopfballsp­iel können nicht eingeplant werden. Was mit Raffaels Wade wird, bleibt abzuwarten. Im Hinspiel gegen Stuttgart, den nächsten Gegner, schoss der „Maestro“beide Tore beim 2:0-Sieg.

Dass sich das Torproblem mit der Zeit im Hirn einnistet, bestätigte Patrick Herrmann: „Es hängt noch ein paar Tage im Kopf, gerade, wenn es nicht so gut läuft“, sagte er. Der Kopf schießt mit. Vielleicht sollten die Borussen ein Stürmer-Seminar einberufen, um die Sache anzugehen: Dieter Hecking war früher selbst Offensivma­nn, zudem sind da in Arie van Lent (U23-Trainer) und Oliver Neuville (U19-Co-Trainer) zwei der besten Gladbach-Stürmer der jüngeren Vergangenh­eit, die Tipps geben könnten. Seminarort wäre der Strafraum auf dem Trainingsp­latz, es könnte eine Gesprächst­herapie geben und einen einfachen Lehrplan: Ball ins Tor, Ball ins Tor, Ball ins Tor.

Doch letztlich können sich die Herren Offensivkr­äfte nur selbst helfen. Wer keine Tore macht, muss wieder Tore machen, dann ist das Problem gelöst. Es ist ebenso einfach wie komplizier­t, aber die ganze Wahrheit. Die Wahrheit ist auch: Wenn die Angst der Gladbacher beim Torschuss nicht aufhört, und zwar zeitnah, dann wird sie wohl Europa kosten. Karsten Kellermann

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