Rheinische Post Viersen

Neue Dimension des Syrienkrie­gs

Der Abschuss eines israelisch­en Kampfflugz­eugs über Syrien markiert die nächste Front in dem Konflikt. Dort könnten der jüdische Staat und die vom Iran gesteuerte Hisbollah aneinander­geraten.

- VON MATTHIAS BEERMANN

HARDUF Die Grasnarbe ist verbrannt, Trümmer haben eine tiefe Furche in den Erdboden gerissen, überall nahe der Ortschaft Harduf im Norden Israels liegen die qualmenden Wrackteile eines abgeschoss­enen F-16-Kampfbombe­rs verstreut: Bilder wie diese haben die Israelis seit beinahe 36 Jahren nicht mehr gesehen. Damals, am 6. Juni 1982, dem ersten Tag des Libanonkri­egs, wurde ein israelisch­er Jet vom Typ Skyhawk über dem Süden des Nachbarlan­ds abgeschoss­en. Dieses Mal war es wohl eine syrische Luftabwehr­rakete des russischen Typs SA-5, die die F-16 mit dem blauen Davidstern vom Himmel holte. Der Abschuss richtet das Augenmerk auf eine Dimension des Syrienkrie­gs, die den Konflikt zu einem Flächenbra­nd werden lassen könnte: die erbitterte Feindschaf­t zwischen Israel und dem Iran.

Israel hatte bald nach Ausbruch des syrischen Bürgerkrie­gs im Frühjahr 2011 die strategisc­he Entscheidu­ng getroffen, sich nicht einzumisch­en – bekriegten sich in Syrien doch vor allem Feinde des Judenstaat­s gegenseiti­g. Wenn gelegentli­ch einmal Granaten von Syrien aus auf dem Golan einschluge­n, schossen die Israelis zwar pflichtsch­uldig zurück, vermieden aber jede Eskalation. Es ist allerdings ein offenes Geheimnis, dass israelisch­e Jets immer wieder teils tief im syrischen Hinterland gelegene Ziele attackiert­en. Offiziell wurden diese Luftschläg­e nie bestätigt, aber israelisch­e Vertreter ließen hinter vorgehalte­ner Hand keinen Zweifel daran, wem diese riskanten Einsätze galten: der libanesisc­hen Hisbollah.

Die schiitisch­e Miliz, die durch iranische Protektion im Libanon längst so etwas wie einen Staat im Staate bildet, wird von Teheran im syrischen Bürgerkrie­g als Interventi­onstruppe eingesetzt. Ohne die Schützenhi­lfe der modern ausgerüste­ten, kampferfah­renen und teilweise von iranischen Offizieren geführten Hisbollah-Bataillone wäre Syriens Präsident Baschar al Assad wohl längst gestürzt. Im Gegenzug belieferte der Iran die Hisbollah mit noch moderneren Waffen, darunter offenbar auch mit hoch entwickelt­en Raketensys­temen. Bereits jetzt vermuten israelisch­e Experten mehr als 100.000 Geschosse in den Militär Die Hisbollah besitzt aber auch einen militärisc­hen Arm, dem nach Schätzunge­n mehrere Tausend Kämpfer angehören. Die Gruppe wird für zahlreiche Anschläge und Entführung­en verantwort­lich gemacht. Terror Die Vereinigte­n Staaten, Kanada und Israel haben die gesamte Hisbollah auf ihre Terrorlist­en gesetzt, Großbritan­nien, Australien und die Europäisch­e Union lediglich ihren militärisc­hen Arm. Arsenalen der Hisbollah. Doch durch die neuen Lieferunge­n sahen sie die militärisc­he Überlegenh­eit Israels bei einem möglichen neuen Konflikt an der libanesisc­hen Grenze auch qualitativ bedroht.

Noch dazu wuchs in Israel zuletzt die Sorge, der Iran könnte in Syrien dauerhaft militärisc­h Fuß fassen und dann gemeinsam mit der Hisbollah den nächsten Schritt wagen: die direkte Konfrontat­ion mit dem Erzfeind Israel, dessen Zerstörung in beinahe jeder Freitagspr­edigt in Teheran gefordert wird. Als am Samstag eine iranische Drohne von Syrien aus in den israelisch­en Luftraum eindrang, nahm die Regierung dies zum Anlass, eine neue Welle von Angriffen gegen iranische Stellungen in Syrien zu fliegen.

Bombardier­t wurde dabei zum wiederholt­en Mal die syrische Luftwaffen­basis Tiyas nahe Damaskus, auch als T-4 bekannt. Sie wird nicht nur von Assads Armee, sondern auch von iranischen Einheiten und von der russischen Luftwaffe genutzt. Bislang ist es den israelisch­en Piloten stets gelungen, mit präzisen Angriffen zu vermeiden, dass dabei auch russische Stellungen getroffen wurden. Das entspricht offenbar einem diskreten Arrangemen­t mit Moskau: Solange Israel nicht offen gegen seinen Schützling Assad in den Krieg eingreift, toleriert Russlands Präsident Wladimir Putin die Attacken. Es gibt einen gut funktionie­renden Kommunikat­ionskanal zwischen israelisch­em und russischem Militär. Dass die F-16 von einer syrischen Rakete älteren Typs abgeschoss­en wurde, ist bezeichnen­d; die Russen haben zum Schutz ihrer Einrichtun­gen weit effiziente­re Systeme in Syrien stationier­t. Sie hätten den Israelis vermutlich erheblich höhere Verluste zugefügt.

Putin, der sich in Syrien gerne als Friedensfü­rst gibt und nach einer Rückerober­ung großer Teile des Landes durch Assad-Truppen nun auf eine politische Lösung des Konflikts dringt, hat kein Interesse an einer Eskalation zwischen Israel und Iran, die Russlands strategisc­he Ziele in der Region gefährden würde. Aber die Entscheidu­ng darüber fällt am Ende in Teheran. Setzen sich dort die Hardliner durch, die von der Errichtung eines schiitisch­en Protektora­ts vom Persischen Golf bis ans Mittelmeer träumen, droht der nächste Nahostkrie­g.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Israelisch­e Soldaten bergen die Wrackteile des F-16-Jets. Die Piloten konnten sich per Fallschirm retten.
FOTO: IMAGO Israelisch­e Soldaten bergen die Wrackteile des F-16-Jets. Die Piloten konnten sich per Fallschirm retten.

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