Cash en de Täsch
DÜSSELDORF Ja, ja, wissen wir schon, kennen wir schon. Gleich werden wieder jene um die Ecke kommen, die immer behaupten, Bargeld begünstige die Schwarzarbeit (einschließlich der illegal beschäftigten Putzfrau übrigens), den Drogenhandel, den Terrorismus. Und allein deshalb sollten Münzen und Scheine so weit wie möglich abgeschafft werden. Und überhaupt: Wer braucht noch Bargeld, wenn man doch fast überall mit Giro- oder Kreditkarte zahlen kann, über Paypal und Paydirekt oder andere moderne Zahlungsmittel?
Sehr viele, lautet die Antwort. Bargeld lacht noch immer. Etwa 80 Prozent aller Einkäufe im deutschen Einzelhandel werden cash bezahlt, der Anteil am Gesamtumsatz macht immer noch die Hälfte aller Erlöse aus. Ende 2017 waren 21,4 Milliarden Euroscheine im Umlauf – über eine Milliarde mehr als ein Jahr zuvor. Und selbst wenn 2018 die Umsatz-Waage erstmals zugunsten der elektronischen Zahlungsmittel ausschlagen sollte – der Tod des Bargelds, den manche herbeireden wollen, ist weit weg. Die zwei Jahre alte Prognose von Deutsche-Bank-Chef John Cryan, in zehn Jahren gebe es kein Bargeld mehr, erscheint gewagt. „Das Produktionsvolumen bei Bargeld wächst immer noch leicht“, sagte jüngst Ralf Wintergerst, Vorstandsvorsitzender des weltweit führenden Banknotendruckers Giesecke & Devrient. Nicht mal in China, wo die Bezahl-App schon fast als heiligste aller Errungenschaften des Finanzsystems gefeiert wird, geht der Bargeldbestand zurück.
Gott sei Dank, möchte man rufen, ohne als Ewiggestriger gelten zu wollen. Natürlich wird niemand den Vormarsch des elektronischen Bezahlens aufhalten. Das wäre in Zeiten, in denen Online-Konten weitgehend der Normalfall geworden sind, Kreditverträge mitunter per App geschlossen werden und das Smartphone bei jüngeren Menschen immer mehr zum Zahlungsmittel wird, blauäugig. Dieser Text soll auch kein Plädoyer sein für „Nur Bares ist Wahres“, sondern eines gegen den virtuellen Hype, der das Bargeld prinzipiell als Anachronismus verurteilt. Das ist Unsinn.
Ein paar Einwände: Je weniger Bargeld als Zahlungsmittel zum Einsatz kommt, umso gläserner ist der zahlende Bürger. Jeder mag sorglos sein mit seinen Daten und den Fußabdrücken, die er im weltweiten Datennetz hinterlässt – aber es muss jedem selbst überlassen sein, wie viel er von sich preisgibt, solange er sich an Recht und Gesetz hält. Ein Plädoyer für Bargeld ist gleichzeitig eines für das Recht auf Anonymität und weitestgehenden Datenschutz.
Selbst wenn man die Debatte über mehr Sicherheit für alle auf der einen oder mehr Freiheit für den Einzelnen auf der anderen Seite nicht führen mag – es gibt auch ökonomische Gründe für den Erhalt des Bargelds. Haushalten zum Beispiel funktioniert deutlich besser, wenn man seinen Bestand im eigenen Portemonnaie oder der Haushaltskasse überprüfen kann, anstatt permanent den Kontostand abrufen zu müssen. Oder erinnern Sie sich noch genau daran, wie viel Sie nach Ihrer letzten Kartenzahlung im Supermarkt noch auf dem Konto hatten? Bargeld diszipliniert beim Einkauf, weil jeder über die Ladentheke oder die Registrierkasse ausgereichte Schein spürbarer Vermögensverlust ist. Kartenzahlung macht weitgehend immun gegen solche Schmerzen – mit gefährlichen Folgen. In den USA sind allein im Oktober des vergangenen Jahres die Kreditkarten-Schulden um 8,3 Milliarden Dollar gestiegen. Wer die wachsende US-Wirtschaft bejubelt, sollte sich vergegenwärtigen, dass Konsum auf Pump dazu maßgeblich beiträgt.
Nächstes Argument: Je mehr das Bargeld abgeschafft wird, umso mehr könnte das Vertrauen in die Geldwirtschaft schwinden. Die Folge könnte Ralf Wintergerst Deutschland war bis zur Einheit des Reichs 1871 währungspolitisch zersplittert. Aber auch vorher gab es breit akzeptierte Zahlungsmittel. Der in den österreichischen Erblanden geprägte Taler wurde bald vorherrschende Währung im gesamten damaligen Reich. Er hatte als Münzfuß einen Silbergehalt von 23,286 Gramm Silber und entsprach 120 deutschen Kreuzern. In Österreich war er bis 1858 gesetzliches Zahlungsmittel.
„Die Produktion von Bargeld wächst immer noch leicht“ Giesecke&Devrient-Chef
Die Mark wurde mit der Reichsgründung 1871 gültige Währung. Sie war zu einem Drittel mit Gold gedeckt. Mit dem Beginn der Inflation 1914 wurde sie auch als Goldmark bezeichnet. Sie war seit der Währungsreform gesetzliches Zahlungsmittel in der Bundesrepublik und wurde in beiden Teilen Deutschlands hoch geschätzt.