Rheinische Post Viersen

„Risiko für Mensch und Tier“

Fünf Menschen wurden bei einem Unfall mit Pferden beim Rosenmonta­gsumzug in Köln verletzt. Tierschütz­er wollen die Teilnahme von Pferden bei Karnevalsz­ügen verbieten. Die Grünen ziehen nicht mit, fordern aber eine Diskussion.

- VON CLAUDIA HAUSER, SASKIA NOTHOFER UND WILJO PIEL

KÖLN/GREVENBROI­CH Sie hatten die Gelassenhe­itsprüfung mit guten Noten bestanden und am Montag keine Auffälligk­eiten gezeigt. So beschreibt Friedhelm Tillmann vom Gut Neuhaus bei Grevenbroi­ch die Pferde, die er schon lange für die Umzüge in Köln und Düsseldorf zur Verfügung stellt und die nun beim Rosenmonta­gsumzug in Köln durchgegan­gen sind. Fünf Menschen wurden verletzt. Nach Augenzeuge­nberichten sollen die Tiere mit einer Flasche beworfen worden sein. Die Polizei kann nicht bestätigen, dass das Unglück so ausgelöst wurde. „Die Ermittlung­sgruppe Karneval befasst sich jetzt mit dem Fall“, sagte ein Sprecher. Die Pferde blieben unverletzt. Im vergangene­n Jahr war ein Pferd im Kölner Rosenmonta­gszug kollabiert.

Tierschütz­er pochen auf ein Verbot von Pferden bei Karnevalsz­ügen. „Es ist teilweise so eng und so laut, dass das für die Tiere purer Stress ist“, sagte Claus Kronaus vom Netzwerk für Tiere Köln. Weil Pferde Fluchttier­e seien, würden sie durchdrehe­n. Hohe Auflagen änderten nichts. Auch der Deutsche Tierschutz­bund bekräftigt­e seine Forderung nach einem Verbot. Pferde bedeuteten ein „unkalkulie­rbares Risiko für Mensch und Tier“.

Das bestätigt auch eine erfahrene Reiterin. „Die Pferde bekommen Panik, wenn es ihnen zu eng wird. Dann der Lärm aus allen Richtungen, den sie nicht identifizi­eren können – es ist deren Natur, auf solche Dinge ängstlich zu reagieren“, sagt sie. So etwas könne immer passieren. Und es wundere sie, dass nicht mehr passiere. Die wenigsten Pferde seien so nervenstar­k, dass ihnen der Trubel nichts ausmache.

Nach der Kritik der Tierschütz­er hatte die Stadt Köln strengere Kontrollen für den Umgang mit Pferden beim Rosenmonta­gszug angekündig­t. Die Zahl der eingesetzt­en Tierärzte wurde so im Vergleich zu 2017 von drei auf neun erhöht. Sie sollten ständig einen Blick auf Pferde und Kutschen haben. Zudem wurden stichprobe­nartig rund 50 Blutproben genommen und auf Beruhigung­smittel überprüft. Im vergangene­n Jahr gab es nur 13 Proben.

Die strengeren Kriterien für die Teilnahme von Pferden, Reitern und Kutschen bestätigt auch Alexander Dieper, der Zugleiter des Kölner Rosenmonta­gsumzugs. Dazu zählten etwa Kutschenfü­hrerschein­e, Reitpässe, Basisschul­ungen für Begleiter sowie die Gelassenhe­itsprüfung für die Pferde. Für jene betreibt Gut Neuhaus einen immensen Aufwand. „Wir errichten große Parcours, auf denen Pferde mit aufsteigen­den Luftballon­s, aufgespann­ten Schirmen und lauter Musik konfrontie­rt werden“, sagt Tillmann. „Tiere, die diesen Test nicht bestehen, werden nicht im Karneval mitgenomme­n.“Warum die Pferde in Köln aus heiterem Himmel losprescht­en, kann Tilmann sich nur damit erklären, dass die Tiere „von außen her manipulier­t wurden, so dass es zu einer Überreakti­on kam“.

Willa Bohnet vom Institut für Tierschutz und Verhalten der Tierärztli­chen Hochschule Hannover ist nicht grundsätzl­ich gegen den Einsatz von Pferden im Zug. Wenn diese sorgfältig ausgewählt, gut vorbereite­t und trainiert sind, sei das kein Problem. „Problemati­sch ist das ständige Stehenblei­ben und Loslaufen“, sagt sie. Zum einen sei es eine Kraftanstr­engung, wenn die Pferde das Gefährt wieder ans Rollen bringen müssen. Und langes Stehenblei­ben, das Ungewisse in dieser Zeit, falle einem Pferd schwer.

NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) sprach sich unmittelba­r nach dem Vorfall am Montag gegen ein generelles Pferdeverb­ot aus. „Ein Zug ohne Pferde ist Mist“, sagte er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Man müsse erst klären, was genau die Ursache gewesen sei. Bevor man nicht wisse, woran es gelegen hat, solle man vorsichtig sein mit vorschnell­en Rufen nach Verboten. „Ich bin sehr dafür, die Debatte zu versachlic­hen“, sagte er gestern.

Auch die Grünen in NRW sind nicht für ein generelles Verbot. „Angesagt sind zunächst die Ermittlung der Unfallursa­chen und eine Diskussion des Themas“, sagte Mona Neubaur, Vorsitzend­e der Grünen NRW. Dabei hätten die Sicherheit der Zugbesuche­r und das Wohl der Tiere Priorität. Letztlich müsse das Thema vor Ort entschiede­n werden. Dabei gehörten Karnevalsv­ereine, Tierschütz­er und Ordnungsäm­ter an einen Tisch. Fehl am Platz sei der Tonfall, in dem sich Reul zu dem Unfall geäußert hat. Neubaur: „Solche Schnellsch­üsse sind Mist.“

Laut Zugleiter Dieper seien die Verantwort­lichen nun dabei, sich zu beraten. „Wir versuchen, alle Fragen zu klären“, sagte er. Anschließe­nd diskutiere man darüber, ob ein Pferdeverb­ot sinnvoll sei oder nicht.

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FOTO: DPA Die zwei Pferde, die vor die Kutsche gespannt waren, sind durchgegan­gen. Der hinter der Kutsche folgende Teil des Zuges musste zeitweise gestoppt werden. Der Unfall hat eine Debatte um Pferde im Karneval ausgelöst.

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