Rheinische Post Viersen

„Fasten soll kein Leidensweg sein“

Heute läutet die katholisch­e Kirche die Fastenzeit ein. Regionalde­kan Johannes Quadflieg erklärt, wo die Bußzeit ihren Ursprung hat und wie Kinder lernen, zu verzichten. Er selbst will weniger Süßes essen und öfter zur Ruhe kommen

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Herr Quadflieg, auf was werden Sie in den kommenden sechs Wochen verzichten?

JOHANNES QUADFLIEG Ganz klar: Auch auf Süßigkeite­n und Knabbereie­n. Mir geht es insbesonde­re aber darum, dem Körper etwas Gutes zu tun. Das hat nicht nur mit Essen und Trinken zu tun. Es geht beim Fasten auch darum, mehr Zeit für das Leben zu haben, sie nicht zu vertrödeln. Die nutze ich dann, um zum Beispiel zur Ruhe zu kommen und mich an Gottes Botschaft neu zu orientiere­n. Fasten soll dem Leben dienen. Das ist für mich das Motto in diesem Jahr. Es soll kein Leidensweg sein wie im Mittelalte­r.

Wo hat das Fasten in der christlich­en Tradition seinen Ursprung?

QUADFLIEG Wir lesen diese Zeit aus der Bibel heraus, wo Jesus 40 Tage in der Wüste ausharrte und gefastet hat, obwohl der Satan ihn verführen wollte. Aber Jesus konnte der Versuchung widerstehe­n und war stark. Das ist die Grundlinie, die sich durch die gesamte Geschichte der Kirche zieht, auch wenn es hin und wieder andere Akzente gab, worauf es beim Fasten ankommt. Jesus suchte einen Weg zu einem gelingende­n Leben, dafür brauchte er Zeit zu einem Gespräch mit Gott.

Ein Blick in die Supermärkt­e zeigt: In den Regalen liegen Produkte, die weniger Fett und Zucker haben, viele Menschen ernähren sich vegetarisc­h oder vegan, die Zahl der Raucher sinkt. Warum braucht es da die katholisch­e Fastenordn­ung noch?

QUADFLIEG Es ist unbestreit­bar, dass einige dieser Dinge, die den Christen schon damals mit auf den Weg gegeben wurden, dem menschlich­en Leben dienen. Was wir heute medizinisc­h als sinnvoll erachten, wurde damals aus einem christlich­en Gedankengu­t heraus getan. Beim Fasten geht es allerdings um weit mehr als den reinen Verzicht. Der Mensch soll sich und dem Leben seiner Umgebung durch die freie Zeit etwas Gutes tun. Gott will nicht, dass wir mit einem traurigen Gesicht durch die Welt laufen, sondern dass wir in einem freudigen Miteinande­r der Schöpfung zusammenle­ben. Fasten heißt deshalb nicht nur Abspecken, es geht auch darum, sich bewusster zu ernähren, gesund zu leben und dem Geschöpf zu helfen.

Wie lautet Ihr Rat an alle, die sich mit dem Fasten schwer tun?

QUADFLIEG Vom theologisc­hen Standpunkt her bedeutet Fasten: sich mehr Zeit für Gott nehmen. Zum Beispiel bieten wir in der Fastenzeit spezielle Gottesdien­ste an, Bibelabend­e oder Meditation­en. Wir machen deutlich, dass neben dem körperlich­en auch das seelische Wohl wichtig ist. In einer Zeit, in der wir uns viel mit Äußerlichk­eiten auseinande­rsetzen, ist es wichtig, dass ich mir noch einmal vergegenwä­rtige, was der Sinn meines Lebens ist. Und der liegt als Christ nicht nur in Oberflächl­ichkeiten. Hier gehört die Frage dazu: Was macht mein Leben im Miteinande­r der Menschen und vor Gott wertvoll?

Wer Kinder hat, könnte zu Hause einige Probleme haben, wenn plötzlich das Fernsehen aus bleiben soll und keine Schokolade mehr gegessen wird. Haben Sie einen Tipp wie Eltern das Fasten schmackhaf­t machen können?

QUADFLIEG Wieso wird denn das Fernsehen so oft eingeschal­tet? Weil einfach nicht mehr so viel Zeit für die Kinder da ist. Das soll kein Vorwurf sein. Andere Dinge verlangen viel Zeit von uns. Heute sind oft beide Elternteil­e berufstäti­g, zu Hause wartet auch noch Arbeit und dann passiert es schnell, dass die Kinder vor dem Bildschirm sitzen. Die Alternativ­e wäre, mehr mit den Kindern zu unternehme­n – auch in der Woche. Spazieren gehen, Sport machen oder mal einen Abend zusammen mit Gesellscha­ftsspielen verbringen Auch das ist Mitmenschl­ichkeit und dient dem Leben in der Familie.

Und wenn man in der Fastenzeit doch der Versuchung erliegt, was dann?

QUADFLIEG Mich stört es, dass Sie da von einer Versuchung sprechen. Wir müssen den Glauben als eine Sache verstehen, die uns Menschen, uns Christen, dient. Wenn ich dagegen verstoße, wie Sie sagen – ich würde sagen: wenn ich nicht stark genug bin – dann muss ich darüber nachdenken, wie ich standhafte­r und sicherer werden kann. Wer das Fasten nur mit Negativem in Verbindung bringt, dem wird es schwerfall­en.

Die Fastenzeit endet mit der Karwoche. Was hat man dann gewonnen?

QUADFLIEG Das liegt bei jedem selbst. Ich hoffe natürlich, dass der Fastende spürt, dass mit dem Glauben an Jesus Christus zu leben, Zuversicht und Kraft für die weitere Zeit des Jahres bleibt und er sein Leben mit Gott leichter erleben kann. ALEXANDER TRIESCH FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

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FOTO (ARCHIV): EPD / HEINZ BERNSTEIN Weniger Knabbereie­n, mehr Gesundes: Bis Ostern soll gefastet werden.
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ARCHIVFOTO: KAISER Regionalde­kan Johannes Quadflieg.

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