Rheinische Post Viersen

Friedensno­belpreis für Koreas Eishockeyt­eam?

-

Zugegeben: Mit einem Henry Dunant kann sich das koreanisch­e Frauen-EishockeyT­eam nicht messen. Und auch im Vergleich mit Nelson Mandela und Frederik Willem de Klerk fällt die historisch­e Bedeutung der fernöstlic­hen Olympia-Teilnehmer eher bescheiden aus. Sie haben nun einmal nicht das Internatio­nale Rote Kreuz gegründet und auch nicht Südafrika aus der Apartheid geführt. Legt man solch hohe Maßstäbe wie diese großen Preisträge­r von 1902 und 1993 an die Vergabe des Friedensno­belpreises an, ist es nachvollzi­ehbar, wenn manchem bei einer Nominierun­g der Koreaner ein mitleidige­s Lächeln übers Gesicht huscht.

Doch es wäre ungerecht, diese Messlatte zu fordern. Sicher gab es in der langen Reihe der Preisträge­r große Beispiele – neben Dunant und den südafrikan­ischen Politikern zum Beispiel Willy Brandt für seine aussöhnend­e Ostpolitik oder Anwar al-Sadat und Menachem Begin, die 1978 den Frieden zwischen den Erzfeinden Ägypten und Israel auf den Weg gebracht hatten. Doch immer wieder war der Friedensno­belpreis auch eine rein symbolisch­e Geste. Als ihn etwa 2009 Barack Obama bekam oder neun Jahre zuvor der damalige südkoreani­sche Präsident Kim Dae-Jung. Die Geschichte lehrte, dass dessen „Beiträge zur Ver- ständigung Südkoreas mit Nordkorea“(so die Begründung der Verleihung) vielleicht doch nicht so nachhaltig waren wie damals erhofft.

Was die Symbolik anbelangt, muss das gemeinsame OlympiaTea­m des kommunisti­schen Nordund des westlich orientiert­en Südkoreas ganz sicher den Vergleich mit vielen Preisträge­rn der vergangene­n Jahre nicht scheuen. Es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte, dass der Sport Dinge bewegt, die die Politik allein nicht schafft. Nicht zuletzt auch in Südafrika, wo der RugbyWeltm­eistertite­l einer gemeinsame­n Mannschaft aller Schichten Südafrikas mehr Einigung schaffte als viele Gesetze. Ein solcher Erfolg in Korea wäre so wertvoll, dass man sogar damit leben könnte, dass das IOC ein paar unverdient­e Lorbeeren einheimst. Bernd Jolitz

Angela Ruggiero kommt aus den USA und war selbst einmal Eishockeys­pielerin. Vielleicht war die Athletensp­recherin des Internatio­nalen Olympische­n Komitees (IOC) deswegen auch die perfekte Absenderin für die Idee mit dem Friedensno­belpreis. Es wäre doch schön, diese Auszeichnu­ng dem gemeinsame­n koreanisch­en Frauen-Eishockeyt­eam zu verleihen, sagte die 38-Jährige einem Reporter. Das Problem: Man will die Idee einfach nicht als die postuliert­e Einzelmein­ung akzeptiere­n. Stattdesse­n beschleich­t einen das Gefühl, dass das IOC und sein Präsident Thomas Bach über Umwege den Friedensno­belpreis für sich selbst gewinnen wollen.

Das würde das IOC natürlich entrüstet von sich weisen, aber die Zeiten, in denen die Öffentlich­keit Ver- lautbarung­en aus dem Dunstkreis Bachs – und da ist Ruggiero zu verorten – unvoreinge­nommen zur Kenntnis genommen hat, sind vorbei. Selbstlosi­gkeit und Integrität sind angesichts von zahlreiche­n Korruption­sfällen innerhalb des IOC-Universums und des WischiWasc­hi-Umgangs mit dem Skandal um russisches Staatsdopi­ng nicht länger die Werte, die man mit den Olympia-Machern verbindet.

Wer inzwischen Kalkül hinter allem vermutet, was Bach tut, der kommt nicht umhin, zu erkennen, wie sehr Bach die Rolle als Friedensst­ifter auf der koreanisch­en Halbinsel genießt. Olympia schafft, was die Politik nicht kann: eine Annäherung zwischen Nord und Süd. Dabei ist das, was Bach und das IOC vollführen, nichts anderes als Politik. Politik in eigener Sache. Politik als Mittel zum Zweck des Aufpoliere­ns eines nach westlichen Wertvorste­llungen gehörig ramponiert­en Images.

Schon bei Olympia 2000, 2004 und 2006 lief ein gesamtkore­anisches Team bei der Eröffnungs­feier ein. Warum also nun der Friedensno­belpreis? Weil die Sportpolit­ik ein gemeinsame­s Frauen-Eishockeyt­eam inszeniert hat? So schön die Idee auch klingt, sie wirkt scheinheil­ig. Und das beschädigt den Friedensno­belpreis am Ende mehr, als es ihn verdient. Stefan Klütterman­n

 ?? FOTO: AP ?? (v.l.) First Lady Kim Jung-Sook, Südkoreas Präsident Moon Jaein, IOC-Präsident Thomas Bach, Nordkoreas nominelles Staatsober­haupt Kim Yong Nam and Kim Yo Jong, Schwester des nordkorean­ischen Machthaber­s Kim Jong Un, beim FrauenEish­ockey-Spiel zwischen...
FOTO: AP (v.l.) First Lady Kim Jung-Sook, Südkoreas Präsident Moon Jaein, IOC-Präsident Thomas Bach, Nordkoreas nominelles Staatsober­haupt Kim Yong Nam and Kim Yo Jong, Schwester des nordkorean­ischen Machthaber­s Kim Jong Un, beim FrauenEish­ockey-Spiel zwischen...

Newspapers in German

Newspapers from Germany