Rheinische Post Viersen

Wieder keine Medaille für Deutschlan­d

Zum vierten Mal in Folge scheiterte die deutsche Nationalma­nnschaft im Viertelfin­ale. Weltmeiste­r wurden erneut die Südkoreane­r.

- VON DAVID BEINEKE

VIERSEN An Selbstvert­rauen mangelt es dem Essener Martin Horn nun wirklich nicht. Wenn es auf die Billard-Weltmeiste­rschaften für Dreiband-Nationalma­nnschaften in der Festhalle zugeht, prognostiz­iert Deutschlan­ds derzeit einziger Weltklasse­spieler eigentlich immer eine Medaille. Aus gutem Grund, denn in der Vergangenh­eit war er schon an zahlreiche­m Edelmetall beteiligt, 2002 wurde er an der Seite von Christian Rudolph sogar schon mal Weltmeiste­r. Doch vor der 29. WM-Auflage in Viersen war der 47Jährige besonders zuversicht­lich. Nach einer schwierige­n Zeit mit dem Tod seiner Eltern, so sagte er, habe er den Kopf wieder frei und traue sich und seinem Teamkolleg­en Ronny Lindemann Großes zu. Dennoch wirkte die deutsche Mannschaft während der gesamten Turniertag­e nicht wirklich frei, konnte selten ihr Potenzial abrufen. So war es auch am Samstagabe­nd, als die Deutschen gegen die Türkei nach einer 31:40-Niederlage zum vierten Mal in Folge schon im Viertelfin­ale ausschiede­n.

„Das, was ich mir im Vorfeld vorgenomme­n hatte, konnte ich nicht umsetzen“, gestand denn Martin Horn auch ehrlich ein. Dabei hatte die WM in der Gruppe D mit dem glatten Sieg gegen Kolumbien so verheißung­svoll begonnen. Ein Erfolg, der vielleicht auch wenig trügerisch war, weil sich die Südamerika­ner im Nachhinein als kaum konkurrenz­fähig erwiesen. Bei der Vorrundenn­iederlage gegen die Türkei und auch beim Sieg gegen Peru zeigten die Deutschen durchwachs­ene Vorstellun­gen, kamen nie wirklich in einen Rhythmus. Oft war es so, dass wenn dem einen ein guter Stoß gelang, der andere patzte. Bevor es daran ging, die Gründe für das neuerliche frühe Aus zu suchen, stellte der Dortmunder Ronny Lindemann nach der zweiten Niederlage gegen die Türken fest: „Wir müssen besser Billard spielen. Wir haben den einen oder anderen Fehler zu viel gemacht.“

Insgesamt spricht die Statistik dafür, dass den Deutschen das Scotch- Double-System, also das abwechseln­de Stoßen in einer Art Doppel, nicht liegt. Seit diese Spielart in Viersen eingeführt wurde, ist die Ausrichter­nation immer im Viertelfin­ale ausgeschie­den. 2015 und 2016, als Scotch Double nur zur Entscheidu­ngsfindung bei Unentschie­den zum Einsatz kam, erfolgte das Aus gegen die Türkei und gegen die Niederland­e. Voriges Jahr, als dann auf eine Partie Scotch Double bis 40 umgestellt wurde, schieden Horn und Lindemann gegen Belgien aus. „Hoffentlic­h war das das letzte Mal mit diesem Modus. Und das hätte ich auch gesagt, wenn wir gewonnen hätten“, meinte Horn. Dabei sind die Deutschen die Mannschaft, die den Teamgedank­en, der durch Scotch Double mehr in den Vordergrun­d gestellt werden soll, zumindest nach außen hin am besten mit Leben füllen. Am Samstagabe­nd schafften sie es auch in der entscheide­nden Phase gegen die Türken, die deutschen Fans in der gut gefüllten Festhalle mitzureiße­n. Bundestrai­ner Wolfgang Zenkner ahnt zumindest, wo das Probleme liegen könnte: „Durch das Scotch Double kommt man nur schwer in einen Fluss. Und im Vorfeld lässt sich das nur schwer simulieren. Im Training haben die beiden einen Schnitt von zwei Punkten pro Aufnahme gespielt, im Turnier waren es nur knapp über einem Punkt.“

Ob die zunächst auf zwei Jahre ausgelegte reine Scotch-Double-Ära gestern zu Ende ging, soll im Nachklang der WM entschiede­n werden. Das letzte Wort wird der Weltverban­d UMB haben. „Wir können nur eine Empfehlung abgeben“, sagte Cornelius Boensmann, Generalsek­retär der Deutschen Billard-Union, „wir wissen aber noch nicht, wie wir uns positionie­ren. Da spielen mehrere Faktoren eine Rolle.“

Bei der Revanche gegen die Türken hatte es zu Beginn aber so aus- gesehen, als könnten die Deutschen das Fremdeln mit dem Scotch Double beenden. Denn sie zogen leicht davon, verpassten es aber, die auffällig schwache Anfangspha­se von Semith Sayginer und Tayfun Tasdemir, übrigens 2003 und 2004 zusammen Weltmeiste­r, zu nutzen. „Da hätten wir sie unter Druck setzen müssen, haben aber keine größeren Serien geschafft“, sagte Lindemann. Die spielten dann die Türken, die in der 13. Aufnahme dank zehn Punkten mit einer 22:14Führung in die Pause gingen. Danach ging es hin und her, doch als sich Deutschlan­d in der 22. Aufnahme mit einer Fünferseri­e auf 27:28 herangekäm­pft hatte, konterten die Türken ebenfalls mit fünf Punkten in Folge. Ein Wirkungstr­effer, denn anschließe­nd kamen Horn/Lindemann nicht mehr heran. „Da muss man einfach anerkennen, dass die Türken besser waren. Wenn wir da bestehen wollen, müssen wir alles rausholen. Das haben wir nicht getan“, resümierte Horn.

Wobei sich die Deutschen in guter Gesellscha­ft befanden. Die Niederland­e schieden gegen Dänemark ebenso überrasche­nd aus wie Belgien gegen Österreich. Wobei die Österreich­er die Chancen, die Scotch Double gerade den nominell nicht so stark besetzten Teams bietet, noch weiter nutzten und gestern im Halbfinale auch die Türken knapp schlugen. Im Endspiel setzte sich dann aber der bärenstark­e Titelverte­idiger Südkorea durch. „Das tut mir leid für die Jungs. Sie hätten mal wieder eine Medaille verdient gehabt. Sie können auf jeden Fall besser Spielen, als sie es gezeigt haben.“Wolfgang Zenkner

Der Bundestrai­ner über das deutsche Abschneide­n

„Wir holen dann mal wieder eine Medaille, wenn von unten etwas nachkommt. Der Sport braucht neue Gesichter.“Frank Schiffers

Hallenspre­cher der WM

„Ich hätte mir mehr gewünscht. An der Seite von Martin ist die Chance für mich deutlich höher mal einen Titel zu holen als alleine. Schließlic­h bin ich kein Profi.“Ronny Lindemann

Die deutsche Nummer zwei

„Insgesamt kann ich mit unseren Leistungen bei der WM leben. Ich kann auf jeden Fall morgens in den Spiegel schauen.“Martin Horn

Die deutsche Nummer eins

Dass der Weltverban­d UMB versucht, die Traditions­veranstalt­ung in Viersen mit Reformen fit für die Zukunft zu machen, ist richtig. Doch genauso richtig ist es, einen Versuch zu beenden, wenn er nicht funktionie­rt. Die Team-WM auf reines Scotch Double umzustelle­n, hat sich im vergangene­n und diesem Jahr nicht bewährt. Wenn die meisten Spieler und Zuschauer dagegen sind, bringt es nichts, gegen ihren Willen zu agieren. Denn es ist ja nicht so, als wären die Spieler reformunwi­llig. Aus ihren Kreisen sind interessan­te Vorschläge zu hören, wie die WM aus sportliche­r sich attraktive­r gemacht werden könnte. Wenn demnächst nach zwei Jahren in Sachen Scotch Double eine Bilanz gezogen wird, sollte ihre Meinung gehört werden. david.beineke

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FOTOS (4): DAVID BEINEKE Nach Startschwi­erigkeiten steigerte sich Tayfun Tasdemir kontinuier­lich und besiegte mit seinem Partner Semih Sayginer das deutsche Team, hier mit Martin Horn im Hintergrun­d, sicher.
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FOTO: JÖRG KNAPPE Wieder eine Siegerehru­ng ohne Deutschlan­d: Die Südkoreane­r strecken den Siegerpoka­l in die Höhe.
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Das deutsche Team bedankt sich beim Viersener Publikum.
 ??  ?? Ronny Lindemann muss den Ärger über einen Fehler heruntersp­ülen.
Ronny Lindemann muss den Ärger über einen Fehler heruntersp­ülen.
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Martin Horn blickt zur Spielstand­anzeige und ahnt Böses.
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