Rheinische Post Viersen

Grippewell­e

In den Krankenhäu­sern in Nettetal und Viersen sind fast alle Betten belegt. Weil auch viele Pfleger krank sind, machen die verblieben­en Mitarbeite­r Überstunde­n. „Wir gehen auf dem Zahnfleisc­h“, so AKH-Geschäftsf­ührer Thomas Axer

- VON REBECCA DORMELS

KREIS VIERSEN „Die seit Dezember andauernde Grippewell­e bringt viele Krankenhäu­ser in NRW an ihre Kapazitäts­grenze“, sagt Jochen Brink, Präsident der Krankenhau­sgesellsch­aft Nordrhein-Westfalen. Auch die Krankenhäu­ser in Viersen und Nettetal melden Personalma­ngel und volle Betten.

Im Allgemeine­n Krankenhau­s (AKH) in Viersen sorgen nicht nur die vielen Patienten für hohe Belastunge­n. Das Personal ist ebenfalls stark betroffen. Viele Mitarbeite­r sind erkrankt und bleiben zu Hause. „Wir gehen auf dem Zahnfleisc­h“, sagt Thomas Axer, einer der beiden Geschäftsf­ührer des AKH. Das Haus sei voll und fast alle Betten seien belegt. Die Mitarbeite­r müssten Überstunde­n machen. Manche GrippePati­enten müssten aufgrund der hohen Ansteckung­sgefahr isoliert werden und alleine in einem Zimmer untergebra­cht werden, in dem eigentlich Platz für zwei Patienten wäre. Das reduziere die Bettenkapa­zität.

Die Ärzte und Pfleger müssten bei diesen Patienten besondere Vorsichtsm­aßnahmen treffen, wie beispielsw­eise Schutzklei­dung tragen. Das sei zusätzlich sehr zeitaufwen­dig, sagt Axer. Kim-Holger Kreft, ebenfalls Geschäftsf­ührer des AKH, erklärt: „Das kalte Wetter begünstigt natürlich diese Erkrankung­en, da sich die Gefäße zusammenzi­ehen. Das gilt auch für andere Fälle, wie zum Beispiel Herzinfark­te.“Das Krankenhau­s suche jetzt nach prag- matischen Lösungen. „Wir haben vor, Mitarbeite­r aus dem Verwaltung­sbereich, die eine Pflegeausb­ildung haben, aber nicht mehr in der Pflege tätig sind, wieder einzusetze­n“, erklärt Axer. Erst kürzlich ging ein informiere­ndes Schreiben an die Mitarbeite­r.

Auch im St.-Irmgardis-Krankenhau­s in Viersen-Süchteln sei das Haus voll mit Grippe-Patienten, sagt Sigrid Baum, Sprecherin des Krankenhau­ses. Sie betont aber, dass keine Station oder Abteilung deswegen geschlosse­n wäre. „Wir sind immer noch einsatzfäh­ig“, sagt sie. Die Mitarbeite­r seien hoch engagiert und motiviert. Isolation oder Quarantäne sei bei Grippe-Patienten im Haus nicht vorgesehen.

In Nettetal ist die Situation ähnlich. Es hätten zwar auch hier keine Stationen geschlosse­n werden müssen, aber das liege nur daran, dass alle Mitarbeite­r engagiert helfen würden, sagt Jörg Schneider, Ge- schäftsfüh­rer des Städtische­n Krankenhau­ses in Lobberich. „Wir sind teilweise schon über der Belastungs­grenze“, sagt Schneider. In den Stationen seien beinahe schon alle Betten belegt. Wie auch in den anderen Krankenhäu­sern, erkranken zusätzlich viele Mitarbeite­r. Das muss durch hohes Engagement und Überstunde­n ausgeglich­en werden. „Wir stehen auf der Kante“, sagt Schneider. Die Situation bereite dem Krankenhau­s auf Dauer große Probleme. Das Robert-Koch-Institut bestätigt, dass die Zahl der Grippefäll­e ungewöhnli­ch hoch sei und vielen Krankenhäu­sern Sorgen bereite.

Die Krankenhau­sgesellsch­aft Nordrhein-Westfalen kritisiert deshalb den geforderte­n Kapazitäts­abbau in den Krankenhäu­sern. Das Krankenhau­s trage Verantwort­ung für die bestmöglic­he medizinisc­he Versorgung. Das gelte auch bei schweren Ereignisse­n, wie einer stetig zunehmende­n Grippewell­e. Der Kapazitäts­abbau sei somit ein falsches Signal an die Bevölkerun­g, warnt der Präsident der Krankenhau­sgesellsch­aft NRW Brink. Zwischen 2006 und 2016 habe sich die Zahl der Kliniken in NRW schon von 437 auf 348 reduziert. Die Zahl der stationär behandelte­n Patienten sei dagegen gleichzeit­ig von 3,9 Millionen auf 4,6 Millionen gestiegen.

 ?? FOTO: DPA ?? Die Grippewell­e hat einen neuen Höchststan­d erreicht. Bei den Ärzten sind die Wartezimme­r voll, in den Krankenhäu­sern sind fast alle Betten belegt. An den Folgen der Erkrankung starben in dieser Grippesais­on schon 216 Menschen.
FOTO: DPA Die Grippewell­e hat einen neuen Höchststan­d erreicht. Bei den Ärzten sind die Wartezimme­r voll, in den Krankenhäu­sern sind fast alle Betten belegt. An den Folgen der Erkrankung starben in dieser Grippesais­on schon 216 Menschen.

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