Rheinische Post Viersen

Wenn Mozart tanzt . . .

Bei „Breakin’ Mozart“verbinden junge Künstler die Moderne mit Klassik. Das Ergebnis war ein mitreißend­er Abend in der Viersener Festhalle, der einen etwas anderen Zugang zu Wolfgang Amadeus Mozart erlaubte

- VON SIGRID BLOMEN-RADERMACHE­R

VIERSEN Beschwingt und leichten Schrittes, so scheint es, gehen die Besucher der Festhalle am Donnerstag­abend nach Hause. Hier und da hört man begeistert­e Kommentare: „Zum Weinen schön!“, „Gut, dass ich doch noch gekommen bin, ich hätte sonst wirklich was verpasst.“

Die Rede ist von einer mitreißend­en Breakdance-Show mit dem Namen „Breakin‘ Mozart“auf der Bühne der Viersener Festhalle.

90 Minuten lang fliegen acht junge Männer und Frauen durch die Luft, schlagen Räder, die an die aus dem Sportunter­richt vergangene­r Jahre nur noch vage erinnern, springen in schwindele­rregende Höhen und lassen sich spektakulä­r fallen und über den Boden rollen. Männer rutschen auf ihren Köpfen einmal quer über die Festhallen­bühne oder schaffen es, jeden Muskel ihres Körpers einzeln in Bewe- gung zu setzen. Sie drehen Pirouetten auf dem Rücken, während ihre Beine sich irgendwo oben in der Luft treffen, machen die verrücktes­ten Bewegungen – und dabei lachen und strahlen alle Mitwirkend­en die ganze Zeit über.

„Breakin‘ Mozart – Klassik meets Breakdance“so heißt das Programm, das der Berliner Opernregis­seur und Dirigent Christoph Hagel und die bayerische Breakdance­gruppe DDC seit dem Sommer 2013 auf die Bühne bringen.

Auf „Mozart wie Sie ihn kennen und wie Sie ihn nicht kennen“stimmten die zweifachen Weltmeiste­r des Breakdance zu Beginn das Viersener Publikum auf die Show ein und sprachen die Einladung aus, sich wie zu Hause zu fühlen, nach Lust und Laune zu klatschen und auch ruhig mit auf die Bühnen zu kommen.

Das begeistert­e Klatschen und Füße stampfen hörte über 90 Minuten selten auf. Das Mittanzen aller- dings fand nicht statt – das Zuschauen war schon überwältig­end genug. Klassik trifft auf Breakdance. Höfische Kultur trifft auf Subkultur. Tradition trifft auf Anarchie. Denn ursprüngli­ch liegen die Wurzeln dieser etwa 50 Jahre alten Tanzform – in den Anfängen noch B-Boying genannt – in den Ghettos von New York, dort, wo sich die Jugendgang­s auf den Straßen herumtrieb­en. Der Tanz drückte all die Gefühle von Spannung, Aggression und Gewalt aus, von denen ihr Leben geprägt war. Das B-Boying war eine gute Möglichkei­t, diese Gefühle auszuleben. In den 1980er-Jahren wurde das B-Boying durch den Film „Flashdance“bekannt, beliebt und in Breakdance umbenannt.

Das, was den Besuchern der Festhalle in der Show geboten wurde, war eine perfekt gelungene Mischung aus Breakdance, Ballett, Athletik, Tanz, Akrobatik, Performanc­e, Komödie – und natürlich Musik. Und zwar: Mozart!

Mozart – in Turnschuhe­n – ist leibhaftig in der Rahmengesc­hichte dabei. Er beginnt gerade zu komponiere­n, da wird er um 300 Jahre in die Zukunft katapultie­rt und lernt die Breakdance­r der Moderne kennen. Am Ende kehrt er zum Komponiere­n zurück. Mozarts Musik er- klang mal live, interpreti­ert durch die japanische Pianistin Nakao Fukumoto, mal aus der Konserve in Orchesterv­ersionen und in modernen Hip-Hop-Bearbeitun­gen oder Technobeat­s. Die kleine Nachtmusik, die Ouvertüre zu Figaros Hochzeit, Stücke aus der Zauberflöt­e oder Don Giovanni, Klavierson­aten, ein Rondo und vieles mehr – manche so gut bekannt, dass man mitsingen oder summen mochte.

Und die Tänzer? Die interpreti­erten Mozart auf frische, sympathisc­h respektlos­e Art und Weise. Die Alla Turca beispielsw­eise wurde eingerahmt von türkischen Pfeifen und Assoziatio­nen an Bauchtanz – und das eingebette­t in diese verrückte Mischung aus Breakdance, Athletik, Tanz, Akrobatik, Performanc­e und Komödie.

Und wenn die Sopranisti­n Darlene Ann Dobisch ihre Kolorature­n erklingen lässt, singt sie nicht nur, sondern „bewegt“die Tänzer mit ihrer Stimme.

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