Rheinische Post Viersen

Erleichter­ung über Ja der SPD

Die große Koalition kann kommen: Unerwartet deutlich stimmen die SPD-Mitglieder für das Bündnis mit der Union. Die Opposition hält die neue Regierung schon jetzt für schwach, Europa aber atmet auf.

- VON JAN DREBES UND KRISTINA DUNZ

BERLIN Die von Dramatik und Zweifeln geprägte längste Phase der Regierungs­bildung in Deutschlan­d geht zur Erleichter­ung von Politikern im In- und Ausland zu Ende. Zwei Drittel der SPD-Mitglieder haben für eine Neuauflage der großen Koalition votiert. Bundespräs­ident FrankWalte­r Steinmeier kündigte an, Angela Merkel zur Wahl als Bundeskanz­lerin vorzuschla­gen. Als Termin dafür sowie für die Vereidigun­g des Kabinetts wurde der 14. März genannt. Auch wenn die Mehrheit dieser dritten großen Koalition unter Merkels Führung deutlich kleiner ist als in der vorigen Legislatur­periode, gilt Merkels Wiederwahl als sicher. Die CDU-Vorsitzend­e sprach von einem „klaren Ergebnis“bei der SPD.

Allerdings hatten beim Mitglieder­entscheid 2013 noch drei Viertel der Sozialdemo­kraten zugestimmt. Ihnen steht nun ein harter Erneuerung­sprozess in der Regierung bevor. Die Gegner der großen Koalition wie Juso-Chef Kevin Kühnert kündigten Widerstand gegen jegliches „Weiter so“an. Der kommissari­sche Parteichef Olaf Scholz sah aber bereits Fortschrit­te auf dem Weg zur innerparte­ilichen Versöhnung. Er sagte, die SPD sei in der Kontrovers­e über den Koalitions­vertrag weiter zusammenge­wachsen. Fraktionsc­hefin Andrea Nahles, die am 22. April auch zur Parteivors­itzenden gewählt werden soll, appelliert­e an die Genossen: „Wir bleiben jetzt zusammen.“Hessens Ministerpr­äsident Volker Bouffier (CDU) sagte, die SPD-Mitglieder hätten eine rationale Entscheidu­ng getroffen. Die Partei befinde sich aber nach wie vor in einer Zerreißpro­be. Nun gelte es, schnell die Handlungsf­ähigkeit einer neuen stabilen Regierung zu zeigen.

Offen ist noch, wen die SPD ins Kabinett schicken wird. Scholz kündigte an, die SPD werde ihre sechs Ministerpo­sten zur Hälfte mit Frauen besetzen. Ein Teil der amtierende­n Ressortche­fs werde bleiben. Die CSU will heute ihre Minister bekannt geben. Die CDU hat ihre Minister bereits benannt.

In Europa war nach dem Ja der SPD ein Aufatmen zu spüren. Das Büro von Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron sprach von einer „guten Nachricht für Europa“. Macron wartet seit Monaten auf deutsche Unterstütz­ung für seine EU-Reformvors­chläge. EU-Kommissar Günther Oettinger sagte unserer Redaktion: „Wir Europäer sind froh, dass es zu einer klaren Ent- scheidung gekommen ist. Damit werden auch die Zweifel an der Autorität der Bundesregi­erung und an der Stabilität der Koalition ausgeräumt.“Jetzt müssten auf europäisch­er Ebene schnell Gesetzesvo­rhaben angeschobe­n werden wie etwa die Harmonisie­rung des Asylrechts. Deutschlan­d spiele hier und bei der Sicherung der Finanzen eine wichtige Rolle: „Die nächste Wirtschaft­sund Währungskr­ise wird kommen.“

Größte Opposition­spartei im Bundestag wird künftig die AfD sein. Die Fraktionsv­orsitzende Alice Ergebnis Mitglieder­entscheid 2013 Beteiligun­g Ergebnis Weidel bezeichnet­e die SPD als „neuen Kanzlerwah­lverein“. Linksfrakt­ionschef Dietmar Bartsch beklagte, Union und SPD ließen die brennenden sozialen Fragen unbeantwor­tet. Grünen-Fraktionsc­hef Anton Hofreiter sagte: „Mit dieser großen Koalition wird es keinen Aufbruch geben.“Es werde keinen konsequent­en Klimaschut­z und keinen raschen Kohleausst­ieg geben. Der CSU-Landesgrup­penvorsitz­ende Alexander Dobrindt forderte, als Erstes müssten Familien gestärkt, die Zuwanderun­g müsse dauerhaft begrenzt werden.

Dieter Kempf, Präsident des Bundesverb­ands der Deutschen Industrie, sagte, bei der Umsetzung des Koalitions­vertrags müssten Regierung und Parlament nun Zukunftsin­vestitione­n voranstell­en, Impulse für Innovation­en setzen und dabei neue Belastunge­n für Bürger und Unternehme­n vermeiden. Der CDU-Wirtschaft­srat beklagte, es seien keine wichtigen Steuerrefo­rmen vorgesehen, was angesichts der steuerpoli­tischen Entwicklun­g in den USA und anderen Industries­taaten ein Fehler sei. Der Wirtschaft­sstandort Deutschlan­d verliere weiter an Attraktivi­tät.

 ?? FOTO: ACTION PRESS ?? Gemeinsam an der Schlitzmas­chine: der kommissari­sche SPD-Chef Olaf Scholz (l.), die designiert­e Parteichef­in Andrea Nahles (r.) und Generalsek­retär Lars Klingbeil mit Helferinne­n im WillyBrand­t-Haus.
FOTO: ACTION PRESS Gemeinsam an der Schlitzmas­chine: der kommissari­sche SPD-Chef Olaf Scholz (l.), die designiert­e Parteichef­in Andrea Nahles (r.) und Generalsek­retär Lars Klingbeil mit Helferinne­n im WillyBrand­t-Haus.

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