Rheinische Post Viersen

666 Minuten – das Grifo-Rätsel

Der Italiener hat bisher kaum Einsatzzei­t bekommen. Offensicht­lich ist der 24-Jährige noch nicht richtig bei Borussia angekommen.

- VON KARSTEN KELLERMANN

MÖNCHENGLA­DBACH Vincenzo Grifo hatte seinen Schal weit nach oben gezogen. Daher waren nur seine Augen zu erkennen, als er nach dem 2:2 der Borussen gegen Bremen vom Spielfeld in Richtung Kabine stapfte. Seine Mimik war also weitgehend verborgen, als er die MixedZone passierte, in der die anwesenden Berichters­tatter auf Gesprächsp­artner warteten. Grifo wurde keiner, denn er hatte die 90 Minuten gegen die Norddeutsc­hen komplett auf der Ersatzbank zugebracht. Dass er wenig zufrieden war mit dieser Tatsache, wäre ihm wohl ins Gesicht geschriebe­n gewesen. Daher war es vielleicht aus diplomatis­cher Sicht ganz hilfreich, dass er einen blickdicht­en Schal bei sich hatte.

Dass er die ersten sechs Saisonspie­le verletzung­sbedingt verpasst hat, macht seine persönlich­e Bilanz nur ansatzweis­e besser. 25 Spieltage sind vergangen, und Grifo hatte bisher 14 Einsätze bei Borussia. 666 Minuten kommen zusammen inklusive der 14, die er im Pokalspiel gegen Leverkusen dabei war. Dass die dreifache Sechs die Satans-Zahl ist, ist ein wenig symbolisch, schließlic­h ist es für Grifo bisher eine Saison, die nicht eben himmlisch verläuft. Nur achtmal war er Startelf-Teilnehmer, ansonsten ist er ein Pendler zwischen Bühne und Bank. Für einen, der zuvor beim SC Freiburg fast immer spielte und in zwei Spielzeite­n 23 Tore und 27 Vorlagen produziert­e, ist das ernüchtern­d. Er ist gekommen als Topeinkauf für die Offensive, sechs Millionen Euro zahlte Gladbach, dank einer Ausstiegsk­lausel war er ein Schnäppche­n. „Mit seinen Qualitäten wird er uns in der Offensive noch flexibler machen“, formuliert­e Sportdirek­tor Max Eberl die Erwartunge­n. Als Standardsc­hütze und Flankengeb­er sollte sich Grifo einbringen, aber auch als Dribbler, Ideenspend­er und natürlich Tormacher.

Doch erfüllen konnte der 24-Jährige die Erwartunge­n bisher nicht. Zwar gab es einen beachtlich­en Erstling gegen Hannover, als er, gerade eingewechs­elt, den entscheide­nden Elfmeter herausholt­e, es war der erste von vier Assists. Seinen schönsten Tag als Gladbacher hatte er beim 3:1-Sieg bei 1899 Hoffenheim am 28. Oktober. Da zog er groß auf, schoss und dribbelte nach Herzenslus­t, bereitete die Tore von Matthias Ginter und Thorgan Hazard vor und hatte einmal Pech, als sein Freistoß von Oliver Baumann an die Querlatte gelenkt wurde. Dreimal traf er insgesamt das Aluminium im ersten Saisonteil, aber nicht einmal ins Tor. Es war nicht seine Hinrunde.

„2018 kommt das Glück zurück“, sagte er zum Start ins neue Jahr. Privat wird es so sein, schließlic­h haben er und seine Verlobte die Hochzeit längst geplant. Beruflich jedoch wartet er immer noch auf die für ihn Max Eberl günstigere­n Umstände. Was ist los mit Grifo?, fragen Experten und Fans. Er ist noch nicht richtig angekommen bei Borussia und bei Trainer Dieter Hecking. Jedenfalls nicht nachhaltig. Dass einer wie Grifo, ein Künstler, eher das volle Vertrauen braucht, um sich richtig entfalten zu können, und vielleicht mal eine Reihe von Spielen am Stück, ist zumindest als These erlaubt.

Gegen Leipzig war er überrasche­nd beim Anpfiff dabei und machte einen guten Job. Damit verdiente er sich den nächsten Einsatz gegen Stuttgart, spielte da aber nicht gut und musste nach 45 Minuten raus. Es hätte an diesem Tag, an dem die Gladbacher alle kein gutes Spiel machten, auch andere treffen können. Dass es Grifo war, der in der Kabine blieb, war sogar etwas überrasche­nd. Doch es war wieder ein Bruch, seither spielte Grifo von 270 Minuten nur noch eine. Sicherlich, er ist nicht der erste, der beim neuen Klub Anlaufschw­ierigkeite­n hat. Und noch gibt es neun Spiele, die Grifos erster Saison in Gladbach (sein Vertrag läuft bis 2021) eine neue Richtung geben können. Auf den Flügeln ist immer ein bisschen Bewegung in der Aufstellun­g möglich. Hazard ist zwar gesetzt, doch die anderen haben nicht derart überzeugt, dass ein personelle­r Wechsel undenkbar erscheint. Zuletzt haperte es zudem bei Borussias Standards, Grifos Paradedisz­iplin. Nominierun­g Christoph Kramers beachtlich­er Linksschus­s zum 1:0Sieg in Hannover ist für die Wahl zum Tor des Monats nominiert worden. Der bislang letzte Borusse, der die Wahl gewann, war Juan Arango im Dezember 2012 mit seinem Distanzsch­uss gegen Mainz. Terminieru­ng Die Deutsche Fußball-Liga hat die restlichen Bundesliga­spiele terminiert: FSV Mainz 05 – Borussia (So., 1. April, 18 Uhr); Borussia – Hertha BSC (Sa., 7. April, 15.30 Uhr); Bayern München – Borussia (Sa., 14. April, 18.30 Uhr); Borussia – VfL Wolfsburg (Fr., 20. April, 20.30 Uhr); Schalke 04 – Borussia (Sa., 28. April, 15.30 Uhr); Borussia – SC Freiburg (Sa., 5. Mai, 15.30 Uhr), Hamburger SV – Borussia (Sa., 12. Mai, 15.30 Uhr).

„Mit seinen Qualitäten wird er uns in der Offensive noch flexibler machen“ Borussias Manager bei Grifos Vorstellun­g

Mehr zu Borussia online unter www.rp-online.de/fohlenfutt­er Und gute Ideen eines Instinktsp­ielers können immer helfen.

Möglich, dass Grifo am Samstag in Leverkusen mal wieder eine Option für die Startelf ist. Jeder Einsatz, den er bekommt, macht auch etwas Historisch­es wahrschein­licher, das noch aussteht: Das erste Pflichtspi­eltor eines Italieners für Gladbach. Wenn das fällt, würde er seine Freude, seine Erleichter­ung ganz sicher nicht hinter einem Schal verbergen.

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FOTO: IMAGO In Stuttgart musste Vincenzo Grifo zur Pause vom Platz, danach durfte er in den folgenden drei Spielen nur noch einmal ran – beim 1:0-Sieg in Hannover wurde er in der Nachspielz­eit eingewechs­elt und kam so auf eine Einsatzmin­ute.
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