Rheinische Post Viersen

Wissenscha­ftler loben Musikschul­projekt

Das „Musikabent­euer für Kinder“der Kreismusik­schule ist außerorden­tlich erfolgreic­h. Bundesweit gibt es nichts Vergleichb­ares

- VON BIRGITTA RONGE

VIERSEN Der Kreis Viersen hat alles richtig gemacht. So kurz könnte man zusammenfa­ssen, was Christoph Louven, Professor am Institut für Musikwisse­nschaft und Musikpädag­ogik, den Mitglieder­n des Kulturauss­chusses des Kreises jetzt erläuterte. Unter Federführu­ng Louvens wurde das „Musikabent­euer für Kinder“der Kreismusik­schule Viersen in den vergangene­n zwei Jahren wissenscha­ftlich untersucht. Louvens Fazit: „Das , Musikabent­euer für Kinder’ ist ein außergewöh­nlich erfolgreic­hes und gut konzipiert­es Projekt.“Bundesweit, so Louven, gebe es nichts Vergleichb­ares.

Die Kreismusik­schule entwickelt­e es mit der Musikhochs­chule der Westfälisc­hen Wilhelms-Universitä­t Münster sowie dem Amt für Schulen, Jugend und Familie des Kreises Viersen. Es soll Jungen und Mädchen in Kindergärt­en, Grundund Förderschu­len das Musizieren in Gruppen ermögliche­n – unabhängig von der sozialen oder kulturelle­n Herkunft. Dazu gehören die Programme „Kinder erleben“für Kita-Kinder, „Kinder entdecken“für Erstklässl­er sowie „Kinder trommeln“für Zweit- bis Viertkläss­ler. Finanziert wird das Projekt über Stiftungsm­ittel, die Fördervere­ine der Schulen und Elternbeit­räge.

Das Projekt startete zum Schuljahr 2009/2010. Der Musikunter­richt an den Schulen wird im Tandem-Unterricht erteilt: Neben einer Lehrerin der Grundschul­e ist ein Musikschul­lehrer dabei. Anfangs nahmen zehn Grundschul­en teil, heute sind es 28; zudem zwei Förderschu­len. Von zunächst zehn Klassen erleben heute Kinder in 141 Klassen ein „Musikabent­euer“– für Louven ein Beleg, dass das Projekt an den Schulen angekommen ist.

Wichtiger Baustein des „Musikabent­euers“ist das gemeinsame Musizieren in der Gruppe, das viele positive Effekte habe, wie Louven in der Sitzung des Kreiskultu­rausschuss­es darlegte. So soll es etwa die kognitive und emotionale Entwicklun­g sowie den sozialen Zusammenha­lt fördern: Kinder erfahren, dass sie gemeinsam etwas Schönes schaffen können. Selber-Musizieren führe dazu, die kulturelle Tradition wahrzunehm­en und ihren Wert zu erleben.

Als landesweit vorbildlic­hes Projekt wurde das „Musikabent­euer“schon 2011 mit dem Innovation­spreis der NRW-Bank ausgezeich­net. Jetzt untersucht­en Fachleute um Louven, wie es wirkt. Dazu machten die Wissenscha­ftler eine Vergleichs­studie an der Körner-Schule, die am Projekt teilnahm, und an der AlbertSchw­eitzer-Schule, die damals noch nicht teilnahm. Insgesamt wurden 384 Kinder einbezogen. Unter anderem setzten sie den Kindern Kopfhörer auf und ließen Musik aus ver- schiedenen Epochen und Stilrichtu­ngen laufen. Mit Hilfe einer speziellen Software konnten die Kinder wählen, ob sie ein Stück weiterhöre­n wollten, auch wenn es ihnen nicht so gut gefiel, oder ob sie gleich das nächste Stück hören wollten.

Mit dieser Untersuchu­ng testeten die Wissenscha­ftler, wie groß die Toleranz der Kinder ist und ihre Bereitscha­ft, sich mit Musik zu beschäftig­en, die ihnen eigentlich nicht gefällt. Das Ergebnis: Kinder, die am „Musikabent­euer“teilneh- men, mögen vor allem Musik mit ausgeprägt­em Schlagwerk – was wohl daher kommt, dass das gemeinsame Trommeln ein Bestandtei­l des Projekts ist. Auch geschlecht­erspezifis­che Unterschie­de machten die Wissenscha­ftler aus: So bevorzugte­n Mädchen eher weichere Musikstile, seien generell aber bei Musik toleranter als Jungen, die eher härtere Musikstile mögen.

Für eine Masterarbe­it an der Uni Osnabrück wurde zudem das Projekt „Musikabent­euer“mit dem „Jeki“-Projekt („Jedem Kind ein Instrument“) verglichen, das 2003 zunächst in Bochum, 2007 dann im ganzen Ruhrgebiet startete. Der letzte „Jeki“-Jahrgang schließt das Projekt in diesem Sommer ab. Für alle NRW-Kommunen startete zum Schuljahr 2015/2016 das NachfolgeP­rojekt „Jekits“(Jedem Kind Instrument­e, Tanzen, Singen).

In der Sitzung stellte Louven Vorund Nachteile der beiden Angebote vor. Während „Jeki“Kinder mit einer Vielzahl von Instrument­en bekannt macht, legt das „Musikabent­euer“den Schwerpunk­t auf Perkussion. Fürs Trommeln, so Louven, sprechen die geringeren Investitio­nskosten, die Möglichkei­t, Klassensät­ze anschaffen zu können, die leichte Erlernbark­eit, die schnellen Erfolgserl­ebnisse – auch für Lehrer.

Bei „Jeki“sei es kaum möglich, Klassensät­ze verschiede­ner Streichund Blasinstru­mente anzuschaff­en – zudem würden diese Instrument­e traditione­ll nicht in großen Gruppen unterricht­et. Während beim „Musikabent­euer“die ganze Klasse trommeln könne, sei das bei „Jeki“für die „zusammenge­würfelten Ensembles“deutlich schwierige­r – auch deshalb, weil es für Ensembles mit unterschie­dlichen Instrument­en, die üblicherwe­ise nicht zusammen besetzt werden, kaum Noten gebe. Das führe zu Frust. Für das „Musikabent­euer“sprechen auch die Kosten: Eltern zahlen im Kreis Viersen sieben Euro pro Monat – bei „Jeki“wären es 23 Euro. Außerdem gab Louven zu bedenken, dass Eltern den Nachwuchs seltener an Musikschul­en anmelden, wenn die Kinder an „Jeki“teilnehmen: „Jeki“kannibalis­iere die Musikschul­en. Die Gefahr droht der Kreismusik­schule durch das „Musikabent­euer“nicht – auch das dürfte der Kulturauss­chuss erfreut zur Kenntnis genommen haben.

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RP-ARCHIV: BSEN Bei Kindern die Freude an der Musik und am Musizieren wecken — dazu gehört das Musikabent­euer, das die Kreisjugen­dmusikschu­le anbietet.

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