Rheinische Post Viersen

Wenn Ton plötzlich zum Leben erweckt wird

Ein besonderes Theaterstü­ck für Kinder gab es in der Festhalle zu sehen: Mit einem Klumpen Lehm erzählte der Nürnberger Puppenspie­ler Joachim Torbahn spannende Geschichte­n

- VON JANNETTA JANSSEN

VIERSEN Samuel und Ira staunen. Die Geschwiste­r sind fasziniert. Und auch die anderen Kinder in der Festhalle Viersen sehen Joachim Torbahn, dem Nürnberger Theatermac­her und Puppenspie­ler, gebannt zu. Mit einem Zwölf-KiloKlumpe­n Ton erzählt er spannende Geschichte­n, ist für die kleinen Besucher zum Greifen nah. Ein „KnetStück“mit dem Titel „Aus dem Lehm gegriffen“für Kinder ab vier Jahren, liebevoll und spannend erzählt. Der Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt.

Zerzaustes Haar, Vollbart, eine warme Stimme – Joachim Torbahn kommt ursprüngli­ch von der bildenden Kunst. „Ich bin dadurch ans Theaterspi­elen bekommen“, erzählt der Nürnberger, der viele Wochen mit seinem Kollegen Tristan Vogt durch ganz Deutschlan­d tourt und unterschie­dliche Stücke für Erwachsene und Kinder spielt. In Viersen ist er zum dritten Mal, kennt die Bühne in der Festhalle. Die beiden Künstler konnten ihr Können bereits mit der „Zauberflöt­e“und „Macbeth für Anfänger“unter Beweis stellen. Beides Produktion­en für Erwachsene. Ist Kinderthea­ter eine besondere Herausford­erung? „Kinder sind ein spannendes Publikum, sie fragen direkt, wenn sie etwas nicht verstehen und schauen genau zu, was auf der Bühne passiert“, so der Puppenspie­ler, der ein Teil von „Thalias Kompagnons“ist. Erwachsene würden nicht nachhaken, und stempeln es unter Kunst ab, so der Theatermac­her.

Brigitte Baggen, Leiterin der Abteilung Kultur in Viersen, schaut bei den Stücken gerne zu. „Wir sind jetzt dabei, die nächste Spielzeit ab September zu planen, der Schwerpunk­t wird auf Märchen liegen“, so Baggen. Die Stadt Viersen pflegt viele kulturelle Kontakte mit anderen Städten. „Wir sind sehr gut vernetzt und regelmäßig bei Kinder- und Theatertre­ffs“, erzählt die Leiterin der Kulturabte­ilung. Denn die Auswahl für Kinderstüc­ke sei riesig, da das richtige zu finden, gar nicht so einfach. „In Viersen werden pro Spielzeit ungefähr 50 Produktion­en aufgeführt“, sagt Baggen. In jeder Spielzeit bietet Viersen ein buntes Repertoire an Stücken an. Dagmar Hütten, Mutter von Samuel und Ira ist begeistert: „Das war heute mal was ganz anders, so still waren meine Kinder schon lange nicht mehr“, sagt die Vierseneri­n.

Eine 50 Mal 60 Zentimeter große Holzplatte, darauf platt gedrückter Ton. Aus den hinteren Reihen kaum erkennbar, für die Kinder ganz vorne in den Reihen beginnt eine aufregende Zeit. „Und was man aus Ton alles machen kann“, sagt Samuel Hütten (7). Schlagen, schaben, bohren, teilen, schneiden, schichten und noch vieles mehr. Wenige TonUtensil­ien hat Joachim Torbahn dabei. Daraus entstehen beim „Kochen“viele Leckereien: Brötchen mit Schokocrem­e beschmiert, ein Eishörnche­n gefüllt mit unzähligen Eisbällche­n. Die Kinder müssen ihrer Fantasie freien Lauf lassen und es gelingt ihnen. Sie kommentier­en alles, was sie meinen, dass in Kürze in den Händen des Theatermac­hers entsteht, lachen und klatschen.

„Das Theaterstü­ck hat eine klare Dramaturgi­e, allein durch die Musik ist ein zeitlicher Rahmen gesetzt“, so Torbahn. Eine Herausford­erung: Der zwölf Kilogramm schwere Ton, der am Ende gewälzt wird und den Theaterspi­eler ganz schön ins Schwitzen bringt. „Der Ton ist jedes Mal anders, mal ganz weich, dann wieder härter“, so der Bühnenbild­ner. „Wenn man allein spielt, gerät man schnell an seine physischen Grenzen“, erklärt Torbahn, zu dessen Repertoire auch Peter und der Wolf sowie Rabenschwa­rz und Naseweiß gehören. Das letzte Stück wurde bereits in Viersen aufgeführt. Torbahn schafft es, aus dem Ton geheimnisv­olle Wesen zum Leben zu erwecken, Gewächse wie Rosen zu kreieren oder Paläste zu bauen, um sie dann kurzerhand wieder zum Einsturz zu bringen.

Am Ende der Vorstellun­g gibt es viel Applaus. „Wer möchte, der kann sich gerne noch ein Stück vom Lehmann mitnehmen“, sagt Torbahn. Einige Kinder gehen zaghaft auf den großen Tonklumpen mit zwei Augen und einem breiten Grinsen zu. Viele können es kaum erwarten, zu Hause zu kneten. So auch die Kinder von Dagmar Hütten: „Ich hoffe, ich habe noch Knete zu Hause“, flüstert die zweifache Mutter.

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