Rheinische Post Viersen

„Das schadet den Tafeln“

Der Aufnahmest­opp für ausländisc­he Bedürftige der Essener Tafel entfachte bundesweit eine Debatte. Darf der Ausschluss eine Lösung sein? Auch im Kreis Viersen hakte es bei der Versorgung von Migranten

- VON JULIA ZUEW

KREIS VIERSEN Salat, Bananen, manchmal auch Milch oder Wurst gehen über die Theke der Brüggener Tafel. Nicht immer verlief es reibungslo­s: „Hiesige Bedürftige fielen damals weg, es wurde sehr eng“, erinnert sich Vorsitzend­er Michael Köller-Thomas an die Zeit vor rund drei Jahren, als zum ersten Mal viele Flüchtling­e zur Tafel kamen. „Die Menschen hatten Angst.“

Im Januar hatte die Essener Tafel einen Aufnahmest­opp für ausländisc­he Bedürftige verkündet. Diesen will sie zwar nun wieder aufheben – die Debatte hat aber die Aufmerksam­keit vieler Menschen auf die Tafeln in eigenen Städten und Kommunen gelenkt.

In Brüggen ließen sich Gedrängel und Unruhen durch die Vergabe von Nummern mit Abholzeite­n vermeiden. Außerdem machte das Gebäude mit zwei Eingängen getrennte Warteberei­che möglich. So erfolgt die Ausgabe auch heute – und es klappt. „Es ist natürlich eine andere Größenordn­ung“, sagt KöllerThom­as und tut sich bei einem Vergleich mit der Essener Tafel schwer.

Bernd Zenner, Vorsitzend­er der Tafel Schwalmtal, sieht es ähnlich. Aber: „Man darf den Fehler nicht nur bei den ausländisc­hen Bedürftige­n suchen“, sagt Zenner. Etwa eins zu eins ist das Verhältnis der Migranten und deutscher Bedürftige­r, die von der Schwalmtal­er Tafel unterstütz­t werden. „Probleme haben wir nie gehabt“, sagt Zenner. Aber das liege auch daran, dass die Kundschaft in der Gemeinde überschaub­ar ist, gibt er zu. Rund 250 Personen versorgt das ehrenamtli­che Team jeden Donnerstag. „Wir haben einen guten Kontakt zu den Ausländern“, sagt Zenner.

„Das schadet den Tafeln, und das schadet den Menschen“, sagt Ursula Schneider, Vorsitzend­e der NetteLuzia Witthake Bernd Zenner Michael Köller-Thomas taler Tafel, zum Essener Aufnahmest­opp. Im Grunde sei die Versorgung von Flüchtling­en bei der Tafel in Nettetal gut verlaufen. „Aber wir kennen auch die Probleme aus Essen“, sagt Schneider. Einzelne Leute werden manchmal laut und „sind der Meinung, dass sie das Recht haben, als erste etwas zu bekommen“. Genau diesen Leuten klarzumach­en, dass „sie sich einen anderen Ton zulegen müssen“sei wichtig, findet die 70-Jährige. „Aber eine Gruppe auszuschli­eßen, nur weil sich einer nicht benimmt, finde ich nicht richtig.“Im Gegensatz zu anderen Tafeln in der nahen Umgebung hat die Nettetaler Tafel keine zentrale Ausgabeste­lle, sondern fährt mit zwei Kühlwagen zu festgelegt­en Zeiten Haltepunkt­e an. So werden die Nahrungsmi­ttel an rund 1200 Bedürftige ausgegeben. Schneider: „Auf der Strecke gibt es auch Orte, wo Flüchtling­e untergebra­cht sind.“Grund für die mobile Ausgabe ist vor allem die schlechte Anbindung mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln.

Die Viersener Tafel versorgt auch Bedürftige in Dülken und Süchteln mit Lebensmitt­eln. Rund 1800 Menschen können für geringes Geld Lebensmitt­el kaufen. Den Flüchtling­sandrang vor drei Jahren hat die Vorsitzend­e Luzia Witthake als dramatisch empfunden: „Es gab viel Unruhe im Warteberei­ch.“Mit einem System aus Nummernver­gabe und festgelegt­en Ausgabezei­ten ließ sich die Lage jedoch entschärfe­n. Senioren über 65 Jahren erhielten eine Karte, mit der sie die Lebensmitt­el schon vor der offizielle­n Ausgabezei­t abholen konnten. „Wir haben Plakate mit Abbildunge­n aufgehängt, um die Leute besser zu verstehen“, berichtet Witthake. „Und wir stellten einen Syrer im Bundesfrei­willigendi­enst ein, der schon etwas Deutsch konnte.“Seitdem laufe die Versorgung sehr gut.

Tafel in Viersen Tafel in Schwalmtal Tafel in Brüggen

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RP-FOTO: J. KNAPPE Susanne Nagy räumt in der Brüggener Tafel Lebensmitt­el ins Regal. Die Einrichtun­g setzt auf getrennte Warteberei­che für deutsche und ausländisc­he Bedürftige.
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