Rheinische Post Viersen

Schritt für Schritt in die Isolation

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Nettetal Harte Kost – anders kann man es nicht nennen, was in der Werner-Jaeger-Halle am Sonntag präsentier­t wurde. Harte – aber gute und unbedingt notwendige Kost. Mit „Geächtet“von 2012 zeigte das Alte Schauspiel­haus Stuttgart ein Stück von Ayad Akhtar, das unter die Haut geht. Am Ende wird jede Fassade, jede Beziehung und mindestens eine Karriere zerstört sein. Und der Zuschauer erlebt jeden einzelnen Schritt dieser Destruktio­n mit. Amir Kapoor, überzeugen­d aggressiv und hyperaktiv gespielt von Patrick Khatami, ist erfolgreic­her Wirtschaft­sanwalt in New York. In Pakistan geboren, verschleie­rt er seine Herkunft und versucht Karriere zu machen. Vom Islam hat er sich losgesagt, sieht ihn sehr kritisch. Im Gegensatz zu seiner Frau, der Künstlerin Emily, perfekt „gutmenschl­ich“dargestell­t von Natalie O’Hara, die ihn als Basis ihrer Malerei betrachtet. Der jüdische Galerist Isaac (Markus Angenvorth) liebt nicht nur ihre Bilder, sondern auch sie und hat seine eigenen Religionse­mpfindlich­keiten. Und eine Frau: die Afroamerik­anerin Jory, Kollegin von Amir (Jillian Anthony). Amir lässt sich von Emily und seinem Neffen Abe überreden, sich für einen angeklagte­n Imam einzusetze­n. Das hat zur Folge, dass ihn die Kanzlei fallen lässt. Die Zuschauer erleben die am Esstisch in der Diskussion offengeleg­ten inneren und äußeren Kämpfe um Identitäts­suche und Identitäts­findung mit, um das Verleugnen und dennoch auch Beharren der eigenen Wurzeln. Sie erlebten hautnah die komplexen Auswirkung­en von Migration, Rassismus und Terrorismu­s. b-r

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