Rheinische Post Viersen

Brandstift­er muss in Psychiatri­e bleiben

Der Viersener, der im August 2017 sein Elternhaus angezündet hat, soll weiter in einer Klinik betreut werden. Der Richter am Landgerich­t Mönchengla­dbach folgte der Empfehlung eines Sachverstä­ndigen

- VON EVA-MARIA GEEF

VIERSEN Zwei Stunden nach Prozessbeg­inn im Landgerich­t Mönchengla­dbach ergeht das Urteil: Der Viersener, der wegen schwerer Brandstift­ung in drei Fällen angeklagt ist, bleibt in der psychiatri­schen Klinik, in der er derzeit bereits behandelt wird. Vorher hatten ihm der behandelnd­e Psychologe sowie der Sachverstä­ndige ein hohes Rückfall-Risiko in die Spirale aus Drogen und Kriminalit­ät bescheinig­t. „Wir können uns dem Gutachten nur anschließe­n“, sagte der Richter. Der Angeklagte „leidet unter einer psychotisc­hen Störung, die unter dem Einfluss und dem Auslöser von Drogen aufgetrete­n ist und die seine Steuerungs­fähigkeit aufhebt. Es steht zu befürchten, dass er vergleichb­are Taten begeht“. Es gebe daher keine strafrecht­liche Verfolgbar­keit. Damit folgte der Richter der Forderung des Staatsanwa­lts, der sich auch dem Verteidige­r anschloss.

Am gestrigen Verhandlun­gstag wurde zunächst der behandelnd­e Psychologe gehört. Der Angeklagte ist zurzeit in der LVR-KlinikKöln untergebra­cht. Einen Tag, nachdem er sein Elternhaus angesteckt hatte, traf der Psychologe auf ihn. „Er befand sich in einem akut psychotisc­hen Zustand und litt unter Verfolgung­swahn“, sagte dieser gestern aus. Nach einem Tag in einem sogenannte­n Krisen-Interventi­onsraum wurde der Angeklagte in ein Freiwillig­en-Zimmer überführt, denn: „Er war von Anfang an bereit, Medikament­e einzunehme­n.“Nach fünf Tagen konnte sich der Viersener frei unter den Mitpatient­en der Station bewegen. „Er sprach offen über seinen früheren Drogenkons­um und erkannte zu seinem Erstaunen, dass er gut auf die Medikament­e reagierte“, so der Psychologe. Jedoch habe er nicht verstanden, warum er weiter behandelt werden sollte, lehnte eine Erhöhung der Dosis ab.

Im Oktober 2017 wurde der Angeklagte auf die Regel-Station verlegt. „Nun gab es eine Krankheits­einsicht bezüglich der Psychose, an der er laut eigener Aussage bereits vor ein paar Jahren erkrankt sei.“Der Angeklagte sei damals schon behandelt worden, habe aber die Medikament­e abgesetzt und Drogen konsumiert. „Er berichtete von früherem Verfolgung­swahn.“

Für den Psychologe­n sehr auffällig: „Er machte viele Gedankensp­rünge, seine Erzählunge­n waren nicht nachvollzi­ehbar, es war schwierig, den Zusammenha­ng zu verstehen.“Er habe zugegeben, die Brände gelegt zu haben, jedoch seien ihm die Gründe dafür nicht klar gewesen. Sein Vater sei seine langjährig­e und beste Bezugspers­on. Bei dem ersten Brand sprach der Angeklagte jedoch von Rache: Das Wohnhaus der Ex-Freundin habe er an der Stelle angezündet, an der sie immer mit seinem Ex-Kollegen auf der Couch gesessen habe. Er habe sie nicht verletzen wollen und direkt auf den Brand aufmerksam gemacht. Der Sachverstä­ndige ging zunächst auf das Leben des Angeklagte­n ein, der früh Verhaltens­auffälligk­eiten zeigte: „Nach der Trennung der Eltern rauchte er im Alter von 13 Jahren das erste Mal Cannabis, lief mit 15 Jahren von zu Hause weg. Er verließ die achte Klasse ohne Abschluss, war zwischenze­itlich in einem Heim für schwer erziehbare Jugendlich­e. Mit 17 Jahren nahm er erstmals Amphetamin­e ein, wurde kurz darauf wegen des Handels damit verhaftet.“Im Laufe der Jahre sei die kriminelle Entwicklun­g vorangegan­gen, verschiede­ne Delikte seien ihm vorgeworfe­n worden: Fahren ohne Führersche­in, Nötigung, unerlaubte Einfuhr, der Verkauf sowie bandenmäßi­ger Handel von Amphetamin­en, Körperverl­etzung. Es kam zu einer Jugendstra­fe von neun Monaten und zu einer längeren Haftstrafe von vier Jahren.

Der Angeklagte war bereits wegen eines paranoiden Verfolgung­swahns, auf Grund dessen er einen Mann mit einer Gaspistole bedrohte, 40 Tage in einer Klinik. Nur zwischen 2011 und 2013 habe er abstinent gelebt, war stabil, hatte einen Job als Produktion­shelfer und eine Freundin. „Wenn es diese Stabilität nicht gibt, kommt es zu Drogenkons­um und Kriminalit­ät“, sagte der Sachverstä­ndige. Nach einem Selbstmord­versuch 2016 war der Viersener 74 Tage in stationäre­r Behandlung. Als er die anschließe­nde Langzeitth­erapie im April 2017 abbrach, nahm er die Medikament­e nicht mehr und konsumiert­e wieder regelmäßig Cannabis. Im August beging er die Brandstift­ungen.

Laut dem Sachverstä­ndigen hat der Cannabis- und Amphetamin­Konsum die schizophre­ne Psychose ausgelöst, unter der der Angeklagte leide und die ihn nicht mehr steuerungs­fähig mache. „Es kommt zu einer affektiven Störung, bei der er Wut und Angst nicht mehr kontrollie­ren kann.“Er empfahl die Unterbring­ung in einem psychiatri­schen Krankenhau­s. Der Angeklagte nahm das Urteil an: „Ich möchte mich entschuldi­gen, es tut mir sehr leid.“

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RP-ARCHIV: GÜNTER JUNGMANN Meterhoch waren im vergangene­n August aus dem Dach des eingeschos­sigen Baus, den der Angeklagte bewohnte, die Flammen geschlagen. 34 Feuerwehrl­eute waren im Einsatz.
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RP-ARCHIV: FISCHER Der Angeklagte entschuldi­gte sich vor Gericht für seine Taten.

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