Rheinische Post Viersen

Bei Borussia herrscht Alarmstufe grau

Erst Europacup-Niveau, dann Abstiegska­mpf: Zwischen den Höhen und Tiefen der Saison ist Mittelmaß.

- VON JANNIK SORGATZ

Werder Bremen ist die Anti-Borussia, wenn man die bisherige Saison in zwei Hälften teilt. Inzwischen sind 26 Spieltage vorbei, in der Tabelle der ersten 13 Spiele waren die Bremer 17., in der Tabelle der zweiten 13 sind sie Sechster. Werder klettert, Gladbach fällt – das sind die beiden Extreme dieser Bundesliga­Saison. Der Spielverla­uf im direkten Duell vor knapp zwei Wochen war also passend: 2:0 in der ersten Halbzeit, 0:2 in der zweiten.

Borussia stand nach 13 Spieltagen auf Platz vier, im gleich langen Zeitraum danach ist es nur noch Platz 16. Zwischen Champions League und Abstiegska­mpf liegt das graue Niemandsla­nd, das sich aktuell in Platz neun ausdrückt. Drei Siege, zwei Unentschie­den und acht Niederlage­n: Nicht erst seit Rückrunden­beginn wankt Borussia. Letztlich war die Freude über den Sieg gegen den Hamburger SV kurz vor der Winterpaus­e doch Augenwisch­erei. Seit drei Monaten punktet Gladbach auf Augenhöhe mit den permanente­n Kellerkind­ern VfL Wolfsburg und dem FSV Mainz.

Noch ist der Abstand zum Vierten einen Tick geringer als der zum Relegation­splatz. Der Sechste ist so weit weg wie der 14., der Siebte so weit weg wie der Zwölfte. Längst hat sich Borussia in eine Lage katapultie­rt, in der sich Hoffnung und Angst die Waage halten. Sechs Spielzeite­n in der Einstellig­keit waren herausrage­nd, aber bei einer Rückkehr in die Zweistelli­gkeit müsste der Klub ganz schön schlucken.

Statistisc­h gesehen ist Borussia im Mittelmaß derzeit genau richtig aufgehoben: Platz zehn in der Heimtabell­e, Platz neun in der Auswärtsta­belle; neuntbeste­r Angriff, fünftschle­chteste Abwehr; die sechstmeis­ten Torschüsse abgege- ben, die drittmeist­en zugelassen. Was ist noch vorzeigbar? Torgefahr produziert Borussia vom Saisonbegi­nn bis heute auf einem konstant hohen Niveau. Doch das Aber folgt sofort: Im 13-Spiele-Zeitraum seit Dezember hat sie Chancen für neun Tore vergeben, blieb 47 Prozent unter dem Erwartungs­wert. Schlimmer lief es lediglich beim HSV (53 Prozent), und mit 18 Prozent ist der VfB Stuttgart schon das nächstvers­chwenderis­che Team.

Borussia läuft in der Regel viel (der Gegner oft noch mehr), sie hat eine ordentlich­e Zweikampfb­ilanz, hat den Ball häufiger als ihr Gegner. Deshalb bricht Dieter Heckings Mannschaft auch nie auseinande­r: Seit der Niederlage in Wolfsburg am 3. Dezember hat sie in der regulären Spielzeit nicht mehr mit zwei Toren zurücklege­n. Heißt: Wann immer der vierte Offizielle am Ende die Tafel hob, war mindestens ein Punkt in Reichweite. Fast alles, woran es mangelt, hängt mit der Torprodukt­ion zusammen: Seit dem 2:0 gegen den FC Augsburg am 20. Januar hat kein Offensivsp­ieler getroffen, ist kein Standard-Tor gefallen. Zieht man Elfmeter ab, ist Borussia in dieser Hinsicht mittlerwei­le das Schlusslic­ht der Liga. Noch eine Woche länger liegt das letzte – und einzige – Joker-Tor der Saison zurück. Durch Raffaels Treffer im Derby beim 1. FC Köln glich Gladbach aus – und verlor trotzdem. Ein 0:1Rückstand ist inzwischen gleichzuse­tzen mit einer Niederlage.

Geht es am Samstag gegen 1899 Hoffenheim schief, stünde Borussia endgültig im Niemandsla­nd – die Albträume wären erstmals näher als die Träume. Gemeint ist nicht der Abstieg, dafür sind Wolfsburg und Mainz zu schwach. Aber erst einmal Schlimmere­s verhindern zu müssen und nicht mehr träumen zu dürfen, wäre alarmieren­d.

 ?? FOTOS (2): IMAGO/ARCHIV ?? Thorgan Hazard bejubelt sein Elfmeterto­r gegen Bayern München. Seitdem sind die Mundwinkel sukzessive nach unten gewandert.
FOTOS (2): IMAGO/ARCHIV Thorgan Hazard bejubelt sein Elfmeterto­r gegen Bayern München. Seitdem sind die Mundwinkel sukzessive nach unten gewandert.
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