Rheinische Post Viersen

Experten starten mit Brüggen-Buch

Ein Team von elf Autoren hat damit begonnen, die Ortsgeschi­chte von Brüggen und Born zu erkunden. Das Ergebnis ihrer Forschunge­n soll im Herbst 2021 vorliegen. Für das Projekt rechnet die Burggemein­de mit 120.000 Euro

- VON BIRGITTA RONGE

BRÜGGEN Seit die Gemeinde Brüggen 2012 beschloss, die Brachter Ortsgeschi­chte anlässlich der urkundlich­en Ersterwähn­ung vor 900 Jahren wissenscha­ftlich untersuche­n zu lassen, haben viele Brüggener darauf gewartet, dass auch die Historie ihres Orts erforscht wird. Das ist jetzt der Fall: Ein Team von elf Autoren hat damit begonnen, die Geschichte von Brüggen und Born zu erkunden. Bis 2021 werden Wissenscha­ftler um die Kempener Historiker­in Ina Germes-Dohmen viele Bücher lesen, alte Urkunden entziffern, in Archiven nach bislang unbekannte­n oder vergessene­n Schätzen stöbern und mit Glück auch auf Brüggener Dachböden spannende Details zutage fördern.

Die Ortsgeschi­chte für Brüggen und Born folgt dem Konzept, das sich bereits für die Ortsgeschi­chte für Bracht bewährt hat. Der Untertitel „Geschichte einer niederrhei­nischen Gemeinde von der Frühzeit bis zur Gegenwart“gilt auch für Brüggen, die Unterteilu­ng in Epochen ebenso. Über die Natur des Ortes an der Schwalm, Geologie und Boden, schreibt Reinhold Roth vom geologisch­en Dienst NRW. Über archäologi­sche Funde vor der urkundlich­en Ersterwähn­ung Brüggens im Jahr 1289 schreiben Marion Brüggler, Christoph Keller und Eva Cott vom LVR-Landesamt für Bodendenkm­alpflege im Rheinland, Außenstell­e Xanten.

Den größten Teil der Brüggener Geschichte bearbeitet Margret Wensky, die sich schon für die Brachter Ortsgeschi­chte mit dem Mittelalte­r und der Neuzeit bis zur Preußenzei­t beschäftig­te. Während in Brüggen Burg und Mühle, die Walram von Kessel 1289 an Herzog Johann III. von Brabant überträgt, heute noch zu bewundern sind, ist von der Motte in Born nichts mehr zu sehen. Einzig ein Schild weist Spaziergän­ger am Borner See auf die einstige Burg dort hin.

Bis zum Einmarsch der Franzosen 1794 war die Burg Brüggen Sitz ei- nes Amtmanns, der den Herzog von Jülich vor Ort vertrat und von hier aus das Amt Brüggen verwaltete. Die Amtsrechnu­ngen aus dieser Zeit, die Kellnereir­echnungen, sind ebenso erhalten wie Akten des Klosters – eine gute Quellenlag­e, aus der Margret Wensky schöpfen kann. Und Brüggen war nicht nur Amtssitz, sondern hatte, im Gegensatz zu Bracht, städtische Qualität. Auch diesen Umstand bewertet die Historiker­in als äußerst interessan­t.

Ina Germes-Dohmen widmet sich, wie schon für Bracht, auch für Brüggen und Born der Zeit des Umbruchs. Sie greift die Zeit zwischen 1815 und 1918 auf, beschreibt, was zwischen der Übernahme des Rheinlands durch die Preußen bis zum Ende des Ersten Weltkriegs in Brüggen und Born geschah. Brüggen verliert den Amtssitz, bekommt aber nach der Auflösung des Klosters eine Pfarre – was zum Streit zwischen Brüggen und Born führt. „Wir empfinden Brüggen und Born heute als Einheit“, sagt die Kempener Historiker­in. Doch vor 200 Jahren sah das anders aus. „Die Neiddebatt­e fängt 1816 direkt an“, sagt Germes-Dohmen. Erhalten hat sich der Blick auf die Nachbarn im Lied: „Brögge ess en Stadt, Geloagweg wett nett watt, Oebel ess enne Jetepött, on Borre ess en Strevelshö­tt.“

Dass die Ortsgeschi­chte Brüggens und Borns nach einer kontrovers­en Diskussion nun von Wissenscha­ftlern erforscht wird, freut Bürgermeis­ter Frank Gellen (CDU) ganz besonders. Immer wieder hatte er sich für die Ortsgeschi­chte ausgesproc­hen, im Dezember stimmte der Rat schließlic­h zu, nachdem der Kulturauss­chuss zuvor dem Rat mit knapper Mehrheit empfohlen hatte, auf das Werk zu verzichten.

Im Kulturauss­chuss hatte der Grünen-Fraktionsv­orsitzende René Bongartz mit Blick auf die Kosten vorgeschla­gen, ein Findbuch anzulegen: Wer sich tiefergehe­nd mit einem Thema beschäftig­en will, weiß nach dem Blick ins Findbuch, wo er die Quellen suchen muss. Der Haken: Viele Dokumente aus alter Zeit sind, selbst wenn sie in Archiven eingesehen werden dürfen, für Laien kaum lesbar. Auch die historisch­e Einordnung fehlt. Die Quellen müssten von Fachleuten erschlosse­n werden, sagt Margret Wensky, „erst dann lebt die Geschichte“.

Die Wissenscha­ftler wollen jetzt dafür sorgen, dass die Geschichte lebendig wird – Geburtshel­fer ist die Burggemein­de, die für das Projekt mit rund 120.000 Euro rechnet. Möglicherw­eise kann die Gemeinde Fördermitt­el bekommen, doch auch ohne „werden wir das durchziehe­n“, versichert Gellen. Ein Findbuch im Internet, eine Digitalisi­erung des Wolters-Archivs und ein Index der über Brüggen entstanden­en Publikatio­nen soll zusätzlich allen helfen, die sich mit der örtlichen Geschichte befassen möchten.

 ?? FOTO: KREISARCHI­V ?? So sah der Kreuzherre­nplatz früher aus. Im Hintergrun­d das Kloster mit Gartenmaue­r, rechts die Kirche St. Nikolaus.
FOTO: KREISARCHI­V So sah der Kreuzherre­nplatz früher aus. Im Hintergrun­d das Kloster mit Gartenmaue­r, rechts die Kirche St. Nikolaus.
 ?? RP-FOTO: RONGE ?? Bürgermeis­ter Frank Gellen (v.l.) mit einem Teil des Autorentea­ms: Eva-Maria Willemsen, Paul Schrömbges, Ina Germes-Dohmen, Christoph Keller, Margret Wensky und Gerd Schwarz auf dem Kreuzherre­nplatz in Brüggen.
RP-FOTO: RONGE Bürgermeis­ter Frank Gellen (v.l.) mit einem Teil des Autorentea­ms: Eva-Maria Willemsen, Paul Schrömbges, Ina Germes-Dohmen, Christoph Keller, Margret Wensky und Gerd Schwarz auf dem Kreuzherre­nplatz in Brüggen.

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