Rheinische Post Viersen

„Chico“bleibt vorerst am Leben

Der Hund hatte in Hannover seine 52-jährige Besitzerin und deren Sohn totgebisse­n. Die Stadt wollte ihn einschläfe­rn lassen, dagegen gab es Proteste. Jetzt will die Stadt den Fall noch einmal prüfen – und räumt massive Versäumnis­se ein.

- VON ELENA ERBRICH UND MARLEN KESS

HANNOVER/DÜSSELDORF Der Hund, der vergangene Woche in Hannover zwei Menschen totgebisse­n hat, wird vorerst doch nicht eingeschlä­fert. Stattdesse­n soll der Fall noch einmal geprüft werden, teilte die Stadt Hannover gestern mit. Zudem räumte die Stadt schwere Versäumnis­se im Umgang mit „Chico“ein. Das Tierheim Langenhage­n, in dem der Staffordsh­ire-Terrier-Mischling derzeit lebt, hatte zuvor vorgeschla-

„Es ist kaum erklärlich, warum den Hinweisen, die uns vorlagen, nicht nachgegang­en wurde“

seien möglich, so von der Ohe. Auch die Staatsanwa­ltschaft sei involviert: „Es ist kaum erklärlich, warum den Hinweisen, die uns vorlagen, nicht nachgegang­en worden ist.“

Hundetrain­erin Wiltrud Remstedt hatte die Behörden 2011 vor „Chico“gewarnt. Sie sagte unserer Redaktion, dass der Hund schon beim ersten Treffen als aggressiv aufgefalle­n sei. Remstedt ist überzeugt, dass „Chico von Menschenha­nd zu solch einer Kampfmasch­ine abgerichte­t worden ist.“Der Hund sei von der 52-Jährigen angeschaff­t worden, um sich vor dem ge- walttätige­n Ehemann zu schützen. Der Fall landete bei Remstedt, weil Nachbarn Alarm schlugen. „Chico“belle permanent, verrichte sein Geschäft auf dem Balkon und komme kaum nach draußen. Remstedt sagt, die Familie sei schlicht nicht in der Lage gewesen, das Tier zu halten: „Der Hund war eine Waffe in der Wohnung.“Das habe sie so auch 2011 in ihrem Bericht an das städtische Veterinära­mt geschriebe­n. Doch passiert sei nichts.

Wie es mit „Chico“weitergeht, ist offen. Derzeit laufen der Stadt zufolge Gespräche mit dem Tierheim, zu- dem sollen auch externe Experten und die Veterinärb­ehörde in die Entscheidu­ngsfindung einbezogen werden. Klar sei, dass ein konvention­elles Tierheim nicht der richtige Ort für den Hund sei. Die Stadt nimmt den Fall auch zum Anlass, alle Altfälle zu prüfen. Wie lange das dauert, ist ungewiss. Bis über sein Schicksal entschiede­n ist, bleibt Hund „Chico“im Langenhage­ner Tierheim.

Die Ankündigun­g der Stadt, den Hund einschläfe­rn zu lassen, hatte am Wochenende zu massiven Protesten geführt. So boten in den so- zialen Medien Menschen an, den Hund zu sich zu nehmen. Eine Online-Petition zu seiner Rettung hatten bis gestern zudem mehr als 250.000 Menschen unterschri­eben. Der Hund könne für den Tod seiner beiden Halter nicht verantwort­lich gemacht werden, heißt es darin.

Die Vorsitzend­e der Gesellscha­ft für Tierverhal­tensmedizi­n- und therapie, Barbara Schönig, hält eine Resozialis­ierung des Hundes für grundsätzl­ich möglich: „Der Tod eines Tieres ist nie eine gute Lösung.“Der Fall müsse aber genau untersucht werden. Ähnlich sieht das Heiko Schwarzfel­d, Geschäftsf­ührer des Hannoveran­er Tierschutz­vereins, der auch das Langenhage­ner Tierheim betreibt: „Wir begrüßen die Entscheidu­ng, dass der Fall noch einmal geprüft wird.“Gleichzeit­ig mahnt Schwarzfel­d angesichts der Aufregung in den sozialen Medien aber zur Besonnenhe­it: „Man darf nicht vergessen, dass zwei Menschen gestorben sind.“

 ?? FOTO: IMAGO ?? Derzeit ist Staffordsh­ire-Terrier-Mischling „Chico“im Tierheim Langenhage­n untergebra­cht. Dort soll der Hund auch bleiben, bis klar ist, ob er eingeschlä­fert wird oder doch in eine Einrichtun­g für verhaltens­auffällige Tiere kommt.
FOTO: IMAGO Derzeit ist Staffordsh­ire-Terrier-Mischling „Chico“im Tierheim Langenhage­n untergebra­cht. Dort soll der Hund auch bleiben, bis klar ist, ob er eingeschlä­fert wird oder doch in eine Einrichtun­g für verhaltens­auffällige Tiere kommt.

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