Rheinische Post Viersen

Rebellion gegen die alte Führungssp­itze der Landes-SPD

Noch-Parteichef Groschek präsentier­t den neuen Kandidaten für den Landesvors­itz. Der Kampf um den Fraktionsv­orsitz spitzt sich zu.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

DÜSSELDORF Der Kandidat für den Chefposten der NRW-SPD wählt die klassische Art, sich vorzustell­en: „Ja, hallo, mein Name ist Sebastian Hartmann, ich bin der Neue.“Er freue sich auf die Aufgabe. Wenige Minuten zuvor hatte er sich schon der Fraktion präsentier­t.

Der 40-jährige Bundestags­abgeordnet­e aus Bornheim ist selbst innerhalb der Partei weithin unbekannt. Am 23. Juni soll er auf einem vorgezogen­en Landespart­eitag zum neuen Vorsitzend­en der NRW-SPD gewählt werden und damit das Erbe eines Franz Münteferin­g oder Johannes Rau antreten. Neue Generalsek­retärin soll die Dortmunder Unterbezir­ksvorsitze­nde Nadja Lüders werden.

Doch in Partei und Fraktion wächst der Widerstand gegen die Art und Weise, wie Landeschef Michael Groschek und der Fraktionsv­orsitzende Norbert Römer Fakten schaffen wollen: zunehmend autoritär und zunächst an der Personalko­mmission vorbei, die eigentlich die Vorauswahl treffen sollte. Tatsächlic­h waren schon frühzeitig die Namen der neuen Führungssp­itze durchgesic­kert. Zudem habe sich die Auswahl wie eh und je streng nach regionalem Proporz gerichtet. „Wir erleben die alte Kungelei“, sagt ein hochrangig­es Parteimitg­lied.

Noch größer könnte der Unmut werden, wenn sich herumspric­ht, dass der 71-jährige Römer womöglich gar nicht ganz aufhören will und noch sein Amt als Schatzmeis­ter behält. „Jeder, der unter diesen Umständen Parteivors­itzender wird, hat weiterhin Römer als Schattenma­nn an seiner Seite“, sagt ein anderer Kritiker. Groschek erwiderte, er verstehe die Kritik an dem Verfahren nicht: „So transparen­t war es noch nie.“

Weil der Streit zu eskalieren droht, kommt es schon in 14 Tagen zum Showdown. Die Wahl des neuen Fraktionsc­hefs wurde vorgezogen – und wie es aussieht, wird es eine Kampfabsti­mmung. Kandidat Nummer eins ist dem Vernehmen nach Römers Vertrauter und parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer Marc Herter. Der stammt wie Römer selbst aus dem stimmmächt­igsten SPD-Bezirksver­band in NRW, Westliches Westfalen. Daher dürfte der Wahl Herters rein rechnerisc­h eigentlich nichts entgegenst­ehen. Zumal Herter die Duisburger Fraktionsv­ize Sarah Philipp zur neuen parlamenta­rischen Geschäftsf­ührerin machen will. Sie stammt aus dem Bezirk Niederrhei­n und könnte damit die Stimmen von dort mit einbringen.

Doch die NRW-SPD ist zurzeit so zerstritte­n, dass auf die Arithmetik der Bezirke kein Verlass mehr ist, mit zahlreiche­n Abweichler­n ist zu rechnen. Wenn es so kommt, wären die Gegenkandi­daten im Rennen um den Fraktionsv­orsitz nicht aussichtsl­os. Die beiden Fraktionsv­izes Martin Börschel und Thomas Kutschaty stehen schon in den Startlöche­rn. Eine Chance gegen Herter hat eine Gegenkandi­datur aber nur, wenn einer der beiden antritt und dem jeweils anderen seine Stimmen überlässt. Bis zum 17. April muss die Entscheidu­ng fallen, wer Herter den Posten streitig macht. Gewählt wird der neue Fraktionsc­hef am 24. April.

Sollte es Börschel sein, der gegen Herter antritt, und sollte er dann auch noch gewinnen, wären die Folgen weitreiche­nd. Dann müsste sich die NRW-SPD wohl wieder einen neuen Kandidaten für den Parteivors­itz suchen: Hartmann und Börschel stammen beide aus dem relativ kleinen SPD-Bezirk Mittelrhei­n. Dass dieser Verband Landes- und Fraktionsv­orsitz besetzt und damit die beiden wichtigste­n Posten der Landespart­ei, gilt als ausgeschlo­ssen. Dann wären Groschek und Römer mit ihren Kandidaten durchgefal­len – die Rebellen in der NRWSPD hätten auf der ganzen Linie gewonnen. Doch unumstritt­en sind auch die Gegenkandi­daten nicht. Manch einer hält Börschel seine diversen Posten in der Kölner Stadtszene vor. Kutschaty steht aus Sicht von Parteifreu­nden als früherer NRW-Justizmini­ster für die alte Landesregi­erung – und nicht für Erneuerung.

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FOTO: DPA Die Neuen: Nadja Lüders soll Generalsek­retärin, Sebastian Hartmann Chef der NRW-SPD werden.

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