Rheinische Post Viersen

Die Pläne des neuen Folkwang-Chefs

Im Essener Museum Folkwang sollen künftig verstärkt Brücken zwischen den Diszipline­n geschlagen werden. Das kündigte Peter Gorschlüte­r an, der neue Chef des Hauses.

- VON BERTRAM MÜLLER

ESSEN Nur drei bis sieben Jahre hielten die Direktoren des Essener Museums Folkwang zuletzt dem Haus die Treue, dann war die Stelle wieder frei. Zum 1. Juli wird nun der 43jährige Peter Gorschlüte­r seinen Dienst antreten, ausgestatt­et mit einem Vertrag über acht Jahre. Vielleicht hält er durch, vielleicht aber nutzt er wie einige seiner Vorgänger das Ruhrgebiet auch nur als Absprungba­sis. Hartwig Fischer avancierte immerhin zum Generaldir­ektor der Staatliche­n Kunstsamml­ungen Dresden und leitet heute das British Museum in London. Peter Gorschlüte­r

Jetzt aber dreht sich für Gorschlüte­r erst einmal alles um das Museum Folkwang und die Idee, die dahinterst­eckt. An diesen Folkwang-Gedanken will der neue Chef anknüpfen, wie er gestern in einer Pressekonf­erenz bekanntgab. Folkwang ist in der nordischen Mythologie der Wohnsitz der Fruchtbark­eitsgöttin Freya, die ihre Hand auch über die Künste hielt. Der Name soll die Einheit von Kunst und Leben bezeichnen. So will Gorschlüte­r in seinem Ausstellun­gsprogramm verstärkt auf die Kunst des Brückensch­lags setzen. „Interdiszi­plinär“will er arbeiten, „spartenund medienüber­greifend“. Wie man sich das vorzustell­en hat, das zeigte er vor drei Jahren in seiner Frankfurte­r Ausstellun­g „Tuchfühlun­g. Kostas Murkudis und die Sammlung des MMK“. Dort, am Museum für Moderne Kunst, wo Gorschlüte­r zurzeit noch als stellvertr­etender Leiter arbeitet, kreuzte er damals bildende Kunst und Modedesign.

Für Essen hat sich Gorschlüte­r vorgenomme­n, aufzuzeige­n, wie Künstler in unterschie­dlichen Epochen auf die Stadt reagierten – auf Essen und auf Städte allgemein. Und selbstvers­tändlich wird er in vier Jahren das 100-jährige Bestehen des Museums Folkwang im Sinne seiner Ideen feiern. Darüber hinaus will er die Sammlung des Hauses einer Revision unterziehe­n – unter dem zeitgemäße­n Aspekt: Welche Beziehunge­n haben die Künstler und ihre Werke zu anderen Kulturen? Auch will Gorschlüte­r das Karl-Ernst-Osthaus-Archiv der Universitä­t Marburg für Ausstellun­gen nutzen. Osthaus hatte 1902 in Hagen das später nach Essen verlegte Museum gegründet, so dass 2022 genau genommen zwei Jubiläen zu feiern sind.

Wie erreichen wir die Menschen? Diese Frage trieb Osthaus damals ebenso um wie heute Gorschlüte­r. Er will das Museum „weiter in die Stadt bringen“und freut sich, dass der Eintritt zumindest zur Schausamml­ung des Hauses und den kleineren und mittleren Präsentati­onen frei ist.

Ob sich unter seiner Leitung die Tradition der großen Ausstellun­gen zur klassische­n Moderne fortsetzen wird, darüber äußerte sich Gorschlüte­r nur vage – wie er überhaupt konkreten Fragen auswich. Keine Angaben zum Etat des Hauses, keine Angaben darüber, was die Sponsoren beisteuern, keine Angaben darüber, wie er sein Haus vom reichen Museumsang­ebot zwischen Köln, Düsseldorf und Wuppertal abgrenzen will. Auch in diesem Punkt hatte er nur beschwicht­igende Worte beizutrage­n: „Es werden nicht alle das Gleiche machen.“

Konkreter wurde Gorschlüte­r, als wir ihn fragten, was er aus seiner Düsseldorf­er Zeit auf seinen berufliche­n Weg mitgenomme­n habe, aus seiner Zeit als Kurator und stellvertr­etender Leiter der Düsseldorf­er Kunsthalle. „Wir waren nah an den Künstlern dran“, sagte er, und mit typischer Vorsicht: „Künstler sind manchmal die besten Ratgeber.“In Düsseldorf lieferte er damals Beispiele dafür, was er unter „interdiszi­plinär“versteht. In der Ausstellun­g „Zurück zum Beton“brachte er Punk und New Wave ins Museum, zum 40. Geburtstag der Kunsthalle präsentier­te er 2007 „Dusseldorf

„Künstler sind manchmal die besten Ratgeber“

Sounds“, ein Festival für Kunst und Musik, außerdem hatte er an der Umwandlung der Kunsthalle von einer städtische­n Einrichtun­g in eine gemeinnütz­ige GmbH mitgewirkt. „Aus Düsseldorf“, so resümierte Gorschlüte­r, „habe ich das Denken in anderen Formaten mitgenomme­n.“

Jetzt stärkt er die Frankfurte­r Fraktion im rheinische­n Kunstbetri­eb. Seine frühere Chefin war Susanne Gaensheime­r, inzwischen Leiterin der Kunstsamml­ung NRW in Düsseldorf. Und der frühere Städel-Kurator Felix Krämer, mit dem er befreundet ist, steht an der Spitze des Museums Kunstpalas­t.

Als Essens Oberbürger­meister Thomas Kufen (CDU) Gorschlüte­r der Presse vorstellte, lobte er nachdrückl­ich auch dessen Verbindlic­hkeit. Damit kritisiert­e er indirekt, dass es dem Vorgänger daran gemangelt habe – was viele Beobachter bestätigen. Gorschlüte­r wird seinem Naturell entspreche­nd dem Museum sicherlich ein freundlich­es Gesicht geben. Wie er in dem mit einer exzellente­n Sammlung an klassische­r Moderne und Gegenwarts­kunst ausgestatt­eten Haus auch in den Wechselaus­stellungen jenem „nationalen und internatio­nalen Anspruch“gerecht werden will, den der Oberbürger­meister beschwor, das bleibt vorerst sein Geheimnis. Denn die große Zeit des KunstSpons­oring ist nicht nur in Essen vorbei.

Neuer Direktor des Museum Folkwang

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FOTO: DPA Der neue Direktor des Museum Folkwang, Peter Gorschlüte­r, übernimmt das Haus im Sommer.

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