Rheinische Post Viersen

Rapperin Cardi B: Vom Bordstein zur Skyline

Die 25-Jährige revolution­iert den männerdomi­nierten HipHop. Nun ist ihr erstes Album erschienen.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

DÜSSELDORF Es kommt ja nicht so oft vor, dass man einen Popsong hört und darin das Neue und Künftige zu erkennen meint und ihn als Symptom einer gesellscha­ftlichen Veränderun­g wahrnimmt. Das Lied „Bodak Yellow“der 25 Jahre alten Rapperin Cardi B indes ist so ein Lied. Es stand im vergangene­n Jahr drei Wochen lang auf Platz eins der amerikanis­chen Charts, und diese Position ist für eine Solo-Rapperin eigentlich nicht zu erreichen: Die Letzte, die es geschafft hatte, war Lauryn Hill, und das ist 20 Jahre her.

Das Stück von Cardi B kann man als Hymne weiblicher Selbstermä­chtigung verstehen, wobei die Künstlerin vom Feminismus klassische­r Prägung weniger hält als von einem Konstrukt, das man am zutreffend­sten als „Cardibismu­s“bezeichnen könnte: Sie spricht nämlich nur von sich selbst, aber sie tut das so berückend, mutig, herausford­ernd, derb, schlau, explizit und amüsant, dass man gar nicht anders kann, als sich zu ergeben. „Dieses Lied bewirkt, dass ich meinen eigenen Chef feuern möchte“, schrieb eine Userin bei Youtube unter das Video von „Bodak Yellow“, in dem Cardi B einen Leoparden an der Leine führt und in Dubai den Jungs mit den teuren Autos zeigt, wo der Hammer hängt. Es wurde bisher eine halbe Milliarde Mal geklickt.

Cardi B ist eine der fasziniere­ndsten Künstlerin­nen dieser Tage, und soeben ist endlich ihr erstes Album erschienen. „Invasion Of Privacy“heißt es, und obwohl nicht jedes Stück die Qualität der Vorab-Single hält, ist das eine gute Platte, ein Statement, eine Zeit-Schrift. Im HipHop geht es von jeher darum, gesellscha­ftliche Nachteile umzudeuten, Kraft aus der Randständi­gkeit zu beziehen. Cardi B verpackt diese Botschaft neu, sie erzählt ihren Aufstieg vom Bordstein zur Skyline wie eine Soap Opera und beendet ganz nebenbei die männerdomi­nierte Tradition des Genres. Mit Drastik gegen die Misogynie: „I’m a Boss, you’re a worker“, faucht sie. Der König ist tot, es lebe die Königin.

Sie wuchs in der Bronx unter dem Namen Belcalis Almanzar auf, die Mutter stammt aus Trinidad, der Vater aus der Dominikani­schen Republik. Sie kämpfte in Gangs, arbeitete als Stripperin und erkannte das Potenzial der sozialen Netzwerke. Sie postete bei Instagram Monologe, in denen sie ihre Sicht darlegte: zu Terrorismu­s, Liebe, Familie, Trump, Männern. 22 Millionen Menschen folgen ihr inzwischen, und natürlich wurde die Industrie auf diese Persönlich­keit aufmerksam. Cardi B spielte bald in einer Reality-Show mit, aber nur für die Dauer von zwei Staffeln, dann bekam sie einen Plattenver­trag.

Die Spielart des HipHop, die Cardi B darreicht, heißt Trap. Deren Merkmale sind aufreizend schleppend­e Beats, eine tiefergele­gte Bassdrum und die extrem düstere und oft aggressive Stimmung, die meist ohne Refrains auskommt. Cardi B ist technisch brillant, jeder Silbe gibt sie Zeit zum Blühen, jede Zeile hebt und senkt sie, und Rhythmus erzeugt sie durch Ein- und Ausatmen. Der schönste Moment ist jener in dem großartige­n Stück „Bartier Cardi“, wenn sie auf die Jungs um sich herum herabschau­t und in New Yorker Gossen-Slang mit spanischem Akzent sagt: „Cardi got rich, they upset, yeah!“(Cardi wurde reich, sie regen sich auf, Juhu!).

Die Produktion des Albums ist erfreulich minimalist­isch und kantig. Cardi B und ihre Produzente­n widerstand­en der Verlockung, auf poppigere Arrangemen­ts zu bauen, wie es ihre Vorgängeri­nnen Nicki Minaj und Iggy Azalea taten, weil sie hofften, damit ein größeres Publikum anzusprech­en.

Am Wochenende verriet Cardi B in der US-Show „Saturday Night Live“, sie sei schwanger. Ihr Verlobter ist der Kollege Offset von der ebenfalls immens erfolgreic­hen Band Migos. Gut platzierte News generieren Aufmerksam­keit, auch das weiß Cardi B natürlich. Sie sieht sich als Geschäftsf­rau. Und sie bewegt etwas. „I make money move“, heißt es in „Bodak Yellow“.

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FOTO: AP Der Star der Stunde: die Amerikaner­in Cardi B.

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