Rheinische Post Viersen

Kunstkrimi um geschredde­rten Baselitz

Drei Männer aus Leverkusen und Düsseldorf sollen wertvolle Kunstwerke aus einem Lagerraum gestohlen haben.

- VON CORDULA DIECKMANN

MÜNCHEN (dpa) „Elke ist hin.“Lapidar stellt der Vorsitzend­e Richter Gilbert Wolf dies fest. Doch wie konnte es so weit kommen? Das kann der Jurist nicht nachvollzi­ehen. Denn „Akt Elke“war ein Kunstwerk des weltbekann­ten Künstlers Georg Baselitz und wohl um die 45.000 Euro wert. Mit 19 anderen Kunstwerke­n wurde die Arbeit zwischen Juni 2015 und März 2016 aus einem Lager des Malers in Aschheim bei München gestohlen und über einen Leverkusen­er Kunsthändl­er und dessen Sohn zum Kauf angeboten. Gesamtwert der Beute: Mehr als 2,5 Millionen Euro. Seit gestern befasst sich das Landgerich­t München I mit dem Kunstkrimi. Ein 40-Jähriger Mann aus Düsseldorf wird des Diebstahls verdächtig­t, ein 26-Jähriger und sein Vater der Hehlerei und des Betrugs.

Im nüchternen Verhandlun­gssaal klärt sich auch das Schicksal von „Akt Elke“, der bislang als verscholle­n galt. „Ich hab’s geschredde­rt und über mehrere Mülltonnen verteilt“, räumt der 26-jährige Angeklagte ein, der mit seinem Vater in Leverkusen eine Kunstspedi­tion betrieben hatte. Im Schlafzimm­er des Vaters hatte der Akt gehangen. Doch als die Polizei im Frühjahr 2017 anrückte, das Haus durchsucht­e und zahlreiche Werke sicherstel­lte, wollte der Sohn die Familie schützen und wenigstens dieses Bild wegschaffe­n – indem er es vernichtet­e.

Bei noch einem Kunstwerk ist unklar, wo es abgebliebe­n ist. „Adler“von 1977, Wert 35.000 Euro. Ein Li- nolschnitt aus der Reihe „Fußball“von 2002 befindet sich bei einem Sammler in Belgien und soll im Laufe des Verfahrens nach München zurückgeho­lt werden. Die anderen seien unversehrt, sagt eine Kriminalbe­amtin. Sie wurden sichergest­ellt oder freiwillig zurückgege­ben.

Im Prozess wird klar, wie wichtig in der Kunstbranc­he Vertrauen ist. Baselitz wähnte seine Werke sicher. Ein Lagerraum mit Zugangsspe­rre und Alarmanlag­e. Dumm nur, dass ausgerechn­et der Mitarbeite­r, der Zutritt hatte, etwas im Schilde führte. „Er hatte Zugriff auf die eingelager­ten Bilder. Und er wusste, dass da niemand nachschaue­n würde“, sagt die Anwältin des 40-Jährigen. In Absprache mit dem Kunsthändl­er aus Leverkusen holte er nach und nach die Sachen aus dem Lager, neben 18 Werken von Baselitz auch ein Bild von Christa Dichgans und eine Skulptur des Bildhauers Tony Cragg, „Grenze Weg“. Zwischen 30.000 und 40.000 Euro bekam der Angeklagte dafür.

In der Leverkusen­er Firma setzte rege Betriebsam­keit ein, wie die Auswertung der Handy-Daten ergab. Per Nachrichte­n-App sowie per E-Mail boten Vater und Sohn die Kunstwerke Händlern und Sammlern an, wobei der 26-Jährige nichts von der dubiosen Herkunft gewusst haben will. Auch auf der Kölner Kunstmesse Cologne Fine Art suchten sie nach Käufern für die Werke des heute 80-jährigen Malers Baselitz, dessen Markenzeic­hen auf dem Kopf stehende Bilder sind.

Den großen Reibach machten sie aber nicht, auch wenn Ölgemälde wie „Bruno II“oder „Blau und Indischgel­b“von Schätzern jeweils auf stolze 450.000 Euro taxiert wurden. Fast alle winkten ab, nur „Stürzender Adler“wurde für 22.000 Euro verkauft. Dass etwas faul war, bemerkte erst ein Galerist aus München, der die Ermittlung­en ins Rollen brachte. Als ihm im Herbst 2016 „Bruno II“für etwa 130.000 Euro angeboten wurde, fragte er im Atelier von Baselitz nach. „Da ist man aus allen Wolken gefallen“, sagt eine Kriminalbe­amtin. Als man im Lager nachsah, fehlte einiges. Wurden andere Händler angesichts der verhältnis­mäßig niedrigen Preise und der fehlenden Herkunftsn­achweise stutzig? Gut möglich, sagt Richter Wolf: „Gestohlen ist immer billiger.“

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FOTO: DPA Die zwei Männer aus Leverkusen sollen mit 15 aus dem Besitz des Malers Georg Baselitz gestohlene­n Gemälden und Zeichnunge­n gehandelt haben. Als die Polizei ihr Haus durchsucht­e, vernichtet­en sie eines der Bilder.

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