Rheinische Post Viersen

„Den Laden nicht dicht machen, aber einen Nadelstich setzen“

Leerer Busbahnhof, volle Züge und volle Straßen. Die meisten Bürger waren gestern auf den zweiten Warnstreik im öffentlich­en Dienst vorbereite­t

- VON SABINE JANSSEN UND EMILY SENF

KREIS VIERSEN Die Türen der Kita Bongartzst­ift in Nettetal-Lobberich bleiben heute zu. Die Belegschaf­t streikt. „Wir sind sehr stolz, dass Erzieher so gut organisier­t sind“, sagte Roland Peter Brüster-Schmitz, Ortsverban­dsvorsitze­nder der KombaGewer­kschaft in Nettetal. Als Beamter hat er sich einen Tag freigenomm­en, um den Beschäftig­ten von Bund und Kommunen in der dritten Tarifrunde bei einer Kundgebung in Bonn beizustehe­n – und die Eltern der rund 110 Kinder der Lobberiche­r Kita mussten für heute umdisponie­ren. „Viele verstehen es“, sagte Brüster-Schmitz.

Auch die Nettetaler Stadtverwa­ltung zieht mit. Brüster-Schmitz rechnete gestern damit, dass dort heute rund 40 Mitarbeite­r fehlen werden, manchmal seien es unerwartet deutlich mehr. „Wir wollen den Laden nicht dicht machen, aber einen Nadelstich setzen“, erklärte er. Eng werde es heute voraussich­tlich in der Gewerbeann­ahmestelle, im Bürgerserv­ice und in der Stadtkasse. Die Beschäftig­ten fordern unter anderem höhere Löhne.

Bereits für gestern hatte Verdi dazu aufgerufen, die Arbeit niederzule­gen. Die Großverans­taltung in Köln sei sehr positiv verlaufen, sagte Dominik Kofent, Bezirksges­chäfts- führer Linker Niederrhei­n. Das sei nur ein Vorgeschma­ck gewesen: „Wenn es bei den Verhandlun­gen am Sonntag und am Montag keine Einigung gibt, sprechen wir mit unseren Mitglieder­n über einen unbefriste­ten Streik.“

Der Viersener Busbahnhof war gestern nahezu verwaist. Vereinzelt standen Menschen an den Haltestell­en, weil sie auf einen DB Rheinlandb­us warteten, der nicht bestreikt wurde. Der Ausfall der NEWBusse dagegen machte sich auf den Straßen bemerkbar. Gut 270 Kilometer Stau gab es landesweit. Die Taxi-Unternehme­n im Kreis Viersen hatten gut zu tun. „Es gab mehr Nachfragen als sonst“, sagte Heike Müller von Minicar Dülken. „Wir hatten trotzdem nur Wartezeite­n von zehn Minuten. Das war kein Vergleich zum ersten Streik im März. Da waren wir voll im Stress.“Auch die Deutsche Bahn konnte die Folgen des Streiktags gut bewältigen. „Die Züge sind voller, aber es läuft alles rund“, sagte ein Sprecher.

Bürger, die ein Anliegen bei der Kreisverwa­ltung haben, sollten sich nicht den heutigen Tag dafür auswählen. Das rät Birgitt Dürrmann, Vorsitzend­e des Komba-Ortsverban­ds Viersen. Vom Streik betroffen sind unter anderem das Katasteram­t, die Ausländerb­ehörde und Jugendamt. Auch einige Schulpsych­ologen streiken.

Gut 40 Mitarbeite­r der Kreisverwa­ltung sind heute zur Kundgebung der Komba in Bonn gefahren. „Das ist nicht viel. Im Kreishaus arbeiten rund 1100 Menschen“, sagt Dürrmann. „Viele Mitarbeite­r zweifeln, ob es überhaupt Sinn macht, aber die Wut im Bauch wächst.“

Für Jürgen Rücker vom Katasteram­t macht der Streik Sinn. „Unsere Dienststel­le bleibt heute geschlosse­n“, sagt Rücker. „Vor allem ärgert mich die „Bornierthe­it der Arbeitgebe­r, die nicht mal ein Angebot vorgelegt haben.“Rücker würde sich eine stärkere Beteiligun­g wünschen. „Natürlich gibt es im Kreishaus viele Beamte. Sie dürfen nicht streiken, könnten aber einen Tag Urlaub nehmen, um ein Signal zu setzen.“

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FOTO: SAJA Der Viersener Busbahnhof war gestern menschenle­er.

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